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ihm thatsächlich entgangenen Vetos das inhaltlich weit ge-
ringere Recht der Ergreifung des Referendums an das Volk zu
gewähren?!).
Für das Reichsstaatsrecht ergibt sich hiernach' die Folgerung,
dass aus der monarchischen Stellung des Kaisers, eben weil die-
selbe nicht auf dem Principe der monarchischen Souveränetät
beruht, sich nichts für den Umfang der kaiserlichen Befugnisse
auf dem Gebiete der Gesetzgebung ergiebt. Die Reichsverfassung
kann von ihrem Standpunkte aus ebenso wohl den Kaiser als
das mit der Gesetzgebung betraute Reichsorgan bestellen, welches
nur bei Ausübung seines Gesetzgebungsrechtes Namens des Col-
lectivsouveräns an die Mitwirkung anderer Reichsorgane gebunden
ist, als auch den Kaiser auf rein formale Functionen bei der
Gesetzgebung beschränken, als auch endlich einen Mittelweg
zwischen diesen beiden Extremen einschlagen. Das oberste Ver-
fassungsprincip des Reichsstaatsrechts besagt nur, dass der Kaiser
nicht Träger der gesetzgebenden Gewalt zu sein braucht.
Welches seine Befugnisse auf diesem Gebiete sind, ist aus con-
creten Verfassungs-Bestimmungen und dem in der politischen
Praxis ausgebildeten Gewohnheitsrechte zu entnehmen.
Den ersten Stadien der bundesstaatlichen Verfassungsbildung,
welche Bundespräsidium und Kaiserthum als selbstständiges
Bundesorgan noch nicht kannten, mussten selbstverständlich auch
präsidiale bezw. kaiserliche Befugnisse auf dem Gebiete der Ge-
setzgebung fremd sein. Auch materiell erscheint hier das Kaiser-
thum als eine spätere Einschiebung in die verfassungsmässige
Organisation der Bundesgewalt, ohne dass dadurch die frühere
Rechtsauffassung vollständig verdrängt worden wäre.
Der preussische Entwurf wie derjenige der verbündeten Re-
gierungen übertragen demnach die Ausübung der gesetzgebenden
21) Vgl. J. van DEN HEuUvEL, De la revision de la constitution belge,
Bruxelles 1892 p. 135 fl.