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Gewalt den damals allein in Aussicht genommenen verfassungs-
mässigen Organen des Bundes, Bundesrath und Reichstag, vor-
behaltlich einzelner hegemonischer Rechte des preussischen Staates
und seines Königs. Grundsätzlich wird die Uebereinstimmung
der Mehrheitsbeschlüsse von Bundesrath und Reichstag zu einem
Bundesgesetze für erforderlich und ausreichend erklärt. Dem
nach den Entwürfen von dem Könige von Preussen noch nicht
rechtlich verschiedenen Präsidium werden zwei Befugnisse bei-
gelegt. Das Präsidium hat einmal sämmtliche Bundesgesetze
auszufertigen und zu verkündigen. Es hat aber ferner ein Veto
bei Gesetzentwürfen über Verfassungsänderungen wegen der für
solche erforderlichen Zweidrittel-Majorität, über Militärwesen,
Kriegsmarine und indirecte Steuern kraft positiver Bestimmung.
Dieses Vetorecht konnte jedoch nur ausgeübt werden durch die
Stimme des Präsidiums im Bundesrathe. Durch die ausdrück-
liche Statuirung des Vetos für einzelne Fälle ergab sich umge-
kehrt, dass es im Uebrigen nicht bestand. Obgleich sowohl bei
den Formalacten der Ausfertigung und Verkündigung als auch
bei den Vetorechten in Kriegs- und Steuersachen von Befugnissen
des Präsidiums die Rede war, lag doch ein wesentlicher Unter-
schied zwischen beiden vor. Die Ausfertigung und Verkündigung
der Bundesgesetze konnte die Krone Preussen in der That als
Präsidium in dem oben festgestellten Sinne d. h. Namens der
Gesammtheit der Verbündeten vornehmen. Dagegen konnten die
Vetorechte im Bundesrathe nie etwas anderes sein als eigene
Befugnisse der preussischen Krone, da im Schoosse des Bundes-
rathes nur die einzelnen Staaten vertreten waren. Präsidium
bedeutete in diesem Zusammenhange nichts anderes als den
Präsidialstaat, Preussen.
Wenn nunmehr in Folge der Beschlüsse des verfassungbe-
rathenden Reichstages das Bundespräsidium zu einem selbst-
ständigen verfassungsmässigen Bundesorgane erhoben wurde, so
gingen auf dieses nur die Formalbefugnisse bei der Gesetzgebung,