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streitig machten“, bemerkt v. Bar treffend und fährt fort: „vielmehr lösst
sich der Conflict bei genauerer Betrachtung regelmässig in blossen Schein auf
und man erkennt, dass nach ihrem wahren Sinne jene verschiedenen Gesetz-
gebungen übereinstimmend einer unter ihnen die concrete Frage zur Ent-
scheidung überlassen.“ Der Kritiker von v. Bar’s Lehrbuch in v. KırcHen-
HEIM’S „Centralblatt für Rechtswissenschaft“ meint, das, was
v. Bar hier (wie mitgetheilt) ausführe, möge vom Standpunkt der Theorie
eines allgemeinen internationalen Privatrechts zutreffen, vom Standpunkt des
positiven Rechts jedoch dürfte dem Verfasser nicht zuzustimmen sein, was
ich nicht zugeben kann; der Kritiker scheint mir den bedeutsamen Satz
nur flüchtig gelesen zu haben, er passt sowohl, wenn man sich auf den Stand-
punkt des allgemeinen, als auch, wenn man sich auf jenen des positiven
Rechts stellt, — was sich bei tieferem Nachdenken über den Satz von selbst
ergibt.
Eine grosse Rolle im internationalen Privatrechte spielt u. a. die Frage,
ob das Princip der Rückverweisung Platz greife. d. h. ob im Falle
der ausdrücklichen Gesetzescollisionen dieses Princip als das sachgemässe
und natürliche anzuerkennen sei, ob der Richter, wenn sein Gesetz ihn auf
das Recht des Auslandes, dieses aber auf ein anderes, insbesondere auf sein
eigenes verweist, solche Rückverweisung annehmen muss”? Ich habe
seiner Zeit in BöHm’s „Zeitschrift für internationales Privat- und Strat-
recht“, Bd. I (1891), S. 424 ff., bei Besprechung einer Abhandlung von
De. Franz KAaun, „Gesetzescollisionen‘, ein Beitrag zur Lehre vom inter-
nationalen Privatrecht, veröffentlicht in Imering’s Jahrbücher für Dogmatik
des heutigen römischen und deutschen Privatrechts, Bd. XXX, neue Folge
Bd. XVII, 1. Heft, — mich unbedingt für das Princip der Rückver-
weisung ausgesprochen. Ich vermisse nun in v. Bar’s Lehrbuch eine etwas
eingeherdere Behandlung dieser Frage, sie wird in Anmerkung 5 zu $ 10
nebenbei erledigt und zwar huldigt v. Bar gleichfalls dem Princip der Rück-
verweisung, er befindet sich hierbei auch in Uebereinstimmung mit $ 31
d. Entw. eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs. Es wäre wünschenswerth,
wenn v. BAR in einer etwa nöthig fallenden neuen Auflage vorliegenden Lehr-
buchs diese wichtige Frage etwas principieller und eingehender und zwar nicht
in einer Anmerkung, sondern im Texte behandeln und dabei auch den Aus-
druck „Princip der Rückverweisung“, der ein technischer geworden
ist, gebrauchen würde. Auch im alphabetischen Register dürfte die „Rück-
verweisung*, nach welcher ich lange vergeblich gesucht habe, einen Platz
zu erhalten haben.
Die systematische Anordnung des zweiten Buchs unseres Lehrbuchs
— „Strafrecht und Strafprocessrecht‘ ist folgende: das inter-
nationale Strafrecht“ findet seine Behandlung in sieben Paragraphen
(SS 57—63) und zwar gibt v. Bar in $ 57 den Begriff und eine Einleitung;
in $ 58 wird über die verschiedenen Ansichten, welche über die allgemeinen