der Reichsräte vom 29. Januar 1892 !%) nach der Verschiedenheit
der Richtung, in welcher sich die Auslegung bewegte, den
Artikel 33 Abs. 2 mit der berüchtigten Novelle 115. Denn die
Hauptfragen, um welche der Streit statt hatte, waren die: Ist die
ohne jenes Zeugnis abgeschlossene Ehe privat- und öffentlich-
rechtlich überhaupt keine eheliche Verbindung im Rechtssinne
oder ist sie eine rechtlich existente Ehe, welche nur in bestimm-
ten Richtungen rechtlicher Wirkungentbehrt? Und weiter im ersteren
Falle: Ist sie gegen Jedermann ungiltig absolut oder nur gegen-
über gewissen Rechtssubjekten? Und ist sie, ob relativ, ob ab-
solut, ungiltig unmittelbar kraft Gesetzes oder nur auf Anfechtung?
Wir haben zur Klarlegung der erwähnten Bedenken in eine
Erörterung der vorzüglichsten Meinungen einzutreten.
Die bis vor Kurzem herrschende Anschauung war die, dass
die ohne jenes Zeugnis, wenn auch in Form Rechtens, einge-
gangene Ehe als Ehe rechtlich überhaupt nicht existiere und
dass dieses rechtliche Nichtvorhandensein ein absolutes sei und
unmittelbar aus dem Gesetze erfolge, keiner richterlichen Kon-
statierung und demnach auch keiner besonderen Anfechtung bedürfe.
Ihre Vertretung ın der Litteratur fand diese Ansicht vor
Allem in dem von Rıepen'schen Kommentar zum Heimatgesetze,
auch noch in der 5. von vox Mütter besorgten Ausgabe (S8. 187),
unter Zustimmung von Hiınscaius, Das Reichsgesetz über die Beur-
kundung des Personenstands etc. 3. Aufl. 1890 S. 156, dann bei
VON SICHERER, Personenstand und Eheschliessung in Deutschland,
1879, 5. 338, 340, endlich bei Voseın, bayerisches Staatsrecht, 1885,
S. 110 N. 4°). In der Rechtsprechung war sie von den höchsten
Civilgerichten aufgenommen, von dem bayerischen Kassationshof
(Sammlung wichtiger Entscheidungen des bayer. Kassationshofes
Bd. III S. 403) und dann von dem obersten Landesgericht (Entsch.
des obersten L.-G. in Civilsachen Band XII S. 438).
14) Prot. Bd. V S. 275 u. 276.
15) Vergl. auch noch Blätter für administrative Praxis Bd. 39 S. 247.