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lichen Eheschliessungsaktes vorgesehen, eine Bestimmung, die
sich nur schwer mit der Annahme vereinbaren lasse, dass die
Ehe von Anfang an jeder rechtlichen Existenz entbehre, denn
— das ıst der Gedanke des Reichsgerichtes — wäre dies: der
Fall, so müsste eine renovatio consensus, eine neue Eiheschliessung
statthaben.
Den zweiten Grund fand das Gericht in dem Abs. 3 des
Artikel 41 des Heimatgesetzes ın der Fassung der Novelle vom
23. Februar 1872. Art. 41 Abs. 1 des H.-Ges. bedrohe die An-
gehörigen des rechtsrheinischen Bayern mit Strafe, welche ohne
dieses Zeugnis ausserhalb Bayerns eine Ehe schlossen, und Ar-
tikel 41 Abs. 3 füge hinzu, eine Strafverfolgung finde hiewegen
nicht statt, wenn vor Eröffnung des Verfahrens das vorgeschriebene
Jeugnis erwirkt oder die Ehe wieder aufgelöst worden sei.
Also müsse doch eine rechtliche Ehe vorhanden gewesen sein.
Endlich sei man — das ist der dritte Grund — in den
Verhandlungen des Gesetzgebungsausschusses der Kanımer der
Abgeordneten 1859/61 bei Beratung des Konkubinatsparapraphen
des Polizeistrafgesetzbuches vom 10. Nozember 1861 allseitig
darüber einig gewesen, dass eine derartige Ehe nicht unter die
Bestimmungen über Konkubinat zu subsumieren und daher mit
ausserehelichem Zusammenleben nicht zu identifizieren sei.
Zu allgemeinerer Kenntnis und Anerkennung gelangte diese
neue Auslegung durch die klare Formulierung und einlässliche
Begründung, welche ihr durch SeypeL, zuerst in einem Auf-
satze in den Blättern für administrative Praxis 1890 Bd. XXXX
S. 113—127 und 129—134, dann zusammenfassend in dessen
bayerischem Staatsrechte Bd. V S. 189 ff. zu teil ward.
SEYDEL'S Erklärung der Worte „bürgerliche Ungiltigkeit“
ist diese.
Der Ehevertrag ist vollgiltig, ein eheliches Band besteht,
die Vertragschliessenden sind Eheleute, nur die Rechtswirkungen
der Ehe nach Aussen hin unterliegen einer aufschiebenden Be-