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Fassung rückwirkende Kraft beizulegen sei, dann geltend, wenn
die rückwirkende Kraft auf den Fall angewendet werden soll,
dass eine Ehe nach bisherigem Rechte, dem unmittelbar vorher-
gehenden oder dem älteren, unter Einhaltung der ehepolizeilichen
Normen geschlossen wurde, ohne dass die frühere unter Nicht-
beachtung dieser Normen eingegangene durch Tod oder Scheidung
aufgelöst oder für ungiltig oder nichtig erklärt war. Welcher
der beiden Ehen gilt der Vorzug?
Bei der Auslegung, welche SeyveL dem Begriffe bürgerlich
ungiltig giebt, kann hierüber kein Zweifel bestehen.
Nach dieser Auslegung hat die Ausstattung des neuen
Art. 33 Abs. 2 mit rückwirkender Kraft die Bedeutung: Die Be-
stimmung, dass der Mangel des Zeugnisses auf dıe Rechtsgiltig-
keit der geschlossenen Ehe ohne Einfluss sei und die letztere nur
einstweilen für Frau und Kinder in Bezug auf die Heimat nicht
die Wirkungen einer giltigen Ehe habe, soll auch auf solche
Ehen Anwendung finden, welche nach früherem Recht zwar eben-
falls als rechtlich existent, giltig im Sinne der neuen Fassung
von Art. 33 Abs. 2, aber als jeglicher Rechtswirkung nicht blos in
Richtung auf die Heimat, sondern überhaupt in privat- und
öffentlichrechtlicher Beziehung nach Aussen hin entbehrend zu
behandeln waren.
Es wird somit durch Einführung der Rückwirkung an der
Frage der rechtlichen Existenz der ersten Ehe gar nichts geän-
dert. Die Ehe war bisher schon rechtlich existent. Was ıhr
gegeben wird, ist nicht erst die Rechtsgiltigkeit, sondern die
Rechtswirksamkeit für heimathliche Verhältnisse.
Der oben gesetzte Fall ist also dahin zu entscheiden: Schon
nach bisherigem Rechte war die zweite Ehe kraft des impedi-
mentum ligaminis nicht ungiltig. Die erste Ehe ist durch Tod oder
Scheidung gelöst oder für nichtig oder ungiltig erklärt. Demnach
ist die zweite Ehe trotz neuer Eheschliessung und trotz des rechts-
irrtümlich oder aus irgend einem anderen Grunde ausgestellten