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zögerung der Verhandlung nicht zu besorgen ist“, was die Er-
läuterungen zur P.O. S. 254 mit dem unbestreitbaren und einleuch-
tenden Satze rechtfertigen: „Wenn die Aenderung nach Eintritt
der Streitanhängigkeit mit Zustimmung des Gegners stattfinden
kann, so ist nicht einzusehen, warum die Einwilligung des Geg-
ners nicht durch objectiv zu Gunsten der Bewilligung der Klag-
änderung sprechende Gründe wenigstens dann soll ersetzt werden
können, wenn der Gegner durch die Aenderung betreffs der Durch-
führung des Processes Nachtheile nicht erleidet.“ — Die Hintan-
haltung jeder ungerechtfertigten Processverzögerung steht neben
dieser Vorschrift und ist schon verschiedentlich erwähnt; hinzu-
weisen wäre noch auf das eigenthümliche System der „Muth-
willensstrafen‘“, die, hervorfliessend aus dem Grundsatze der
Wahrheitspflicht der Parteien, bis zum Betrage von 600 Mk. an-
gedroht sind bei Erschleichung des Armenrechts (P.O. $ 69, Abs. 1),
dessen Bewilligung, wie mir scheint, zumal in Hinblick auf die
sonstige Vorprüfung der Klage, Berufung u. s. w., zutreffender
Weise ohne Prüfung der rechtlichen Begründung der Sache selbst
erfolgt*®); bei muthwilliger Bestreitung der Echtheit einer Urkunde
(P.O. $ 325); bei muthwilliger oder nur zur Sachverzögerung er-
folgter Einlegung der Revision oder des Recurses (P.O. $ 532,
549, Abs. 2).
Da der Gesetzgeber durch die wahre Unmittelbarkeit der Ver-
handlung dem Gerichte das Vordringen bis zum wirklichen Sach-
verhalte ermöglichen und damit wahrhaft zutreffende Entscheidungen
anbalınen will, so hat er noch ein weiteres Mittel gewählt, welches
den an freches Ableugnen von Thatsachen durch die Parteien ge-
wöhnten deutschen Richter besonders fremdartig anmuthet, obwohl
sich Aehnliches nicht nur in der A. G.O. Titel XXIII $ 51,
52 Nr. 1 und 4, sondern beispielsweise auch in der Hannover-
schen B.P.O. $ 43 Abs. 3 findet. $ 192 P.O. verpflichtet die
49) P.O. $ 62, 65, S. 210. Preuss. A.G.O. Titel XXIII, $ 30; V,$ 7.