Quellen und Entscheidungen.
Die Organisation der Waisenpflege im Grossherzog-
thum Hessen.
Von
Dr. ZELLER, Regierungsrath in Darmstadt.
Verwaiste, verlassene und verwahrloste Kınder zu nützlichen
und erwerbsfähigen Gliedern der menschlichen Gesellschaft heran-
zubilden gebietet die Religion, das öftentliche Recht und die
Rücksicht auf die eigene Wohlfahrt. Die Waisenpflege bildet
einen wichtigen Theil der Armenpflege; es ıst daher Aufgabe
von Staat und Gemeinde die zur Erreichung dieses Zieles nöthi-
sen Einrichtungen zu treffen. Aus den älteren Zeiten sind über
lie geregelte Waisenpflege wenig Nachrichten vorhanden. Die
ersten Christengemeinden übertrugen in der Regel die Erziehung
und Verpflegung der Waisen den Wittwen. Fand sich Niemand
zur Uebernahme eines verwaisten Kindes geeignet oder bereit, so
lag dem Bischof die Fürsorge ob. Derselbe liess es auf Kosten
ler Gemeinde erziehen. Die Aufnahme armer Waisen in die
Klöster bildete im vierten Jahrhundert den Uebergang zu um-
fassenderen Einrichtungen. Als im fünften Jahrhundert, unter
dem Einflusse der christlichen Kaiser, Wohlthätigkeitsanstalten
verschiedener Art entstanden, erhoben sich bald auch Waisen-
häuser, deren Verwaltung im Ganzen Sache der Kirche blieb,
aber doch auch die Staatsbehörden beschäftigte. Die folgenden
Zeiten behandelten die Waisenpflege fast ausschliesslich als einen
Archiv für öffentliches Recht. IX. 1. 7