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zweiten Anstalt nöthig. An der Pflege in geschlossenen Anstalten
könne jedoch nicht festgehalten werden; die Erziehung sei hier
immer sehr einseitig, die Kinder würden aus allen Familienver-
hältnissen gerissen und wirkten auf sie weder die Gefühle der
Verwandtschaft noch Heimath. Ein besonderes Gewicht legte der
Bericht der Enquete-Commission auf die Möglichkeit einer genauen
Controle der Familienpflege durch die Bürgermeister, Geistlichen,
localen Behörden, Verwaltungs- und Sanitätsämter und hob
die Nothwendigkeit der Uebernahme der Kosten auf die einzelnen
Provinzen oder Landestheile hervor. Wenn die Pfiegekosten auf
den einzelnen Ortschaften lasteten, würden unvermögende Ge-
meinden die hülfsbedürftigen Waisen ihrem Schicksale überlassen.
Das Ergebniss der angestellten Erhebungen war in dem Antrage
zusammengefasst: Ausdehnung der staatlichen Waisenpflege auf
das ganze Land, Aufhebung der Anstaltspflege und Unterbringung
der Waisenkinder in rechtschaffenen Familien.
Die weiteren Verhandlungen führten zur Anerkennung der
Eigenschaft des bestehenden Waisenhauses als einer Landesanstalt
und Ausdehnung über das Gebiet der alt-hessischen Lande hinaus
auf das ganze Grossherzogthum (1823). Ein Publicandum vom
5. August 1824 (Rgbl. Nr. 45) sprach diese Berechtigung der neu
hinzugekommenen Landestheile aus; zugleich stellte eine be-
sondere Instruction den Grundsatz der Erziehung der Waisen
in Familien als Regel auf, die Anstaltspflege nur als Ausnahme
zulassend. So bestand das Waisenhaus in Darmstadt mit einer
beschränkten Anzahl von Zöglingen noch bis zum Jahre 1831
fort, in welchem Jahre die Ueberlassung des Hauses zu einem
andern Zwecke genehmigt wurde.
Die seit jener Zeit für die Waisenpflege massgebenden Grund-
sätze fasste eine Instruction vom 26. April 1843 wie folgt zu-
sammen: Zweck der Landesanstalt ist, arme, vater- und mutter-
lose Waisen bis zur Confirmation oder ersten Communion (Israeliten
— auf welche die Berechtigung durch Bek. vom 28. October 1845
ausgedehnt wurde — bis zum zurückgelegten 14. Lebensjahre) in
der Religion ihrer Eltern gottesfürchtig und sittlich, in der Regel
in der Heimath bei braven Leuten zu erziehen und sie mit den