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Reichsgesetzes vom 6. Februar 1875, Anweisung im Regierungsblatt No. 52
von 1875, S. 617).
Ist ein uneheliches Kind von seınem Vater urkundlich anerkannt (s. zu
$S 25 der Anweisung für die Standesbeamten, Regierungsblatt No. 52 von 1875,
Seite 620—621), so ist festzustellen, ob der Vater nach seinen Vermögens-
und Erwerbsverhältnissen im Stande, der Verpflichtung zur Ernährung des
Kindes nachzukommen. Nur wenn er ohne Vermögen, bezw. mittellos, wo-
über eine Bescheinigung auszustellen ist, tritt die Landeswaisenanstalt ein.
Ebenso in dem Falle, wenn der betreffende aussereheliche Vater mit unbe-
kanntem Aufenthaltsorte abwesend ist.
$S 7. In dem Bericht ist weiter anzugeben, ob sich Verwandte oder
sonstige rechtschaffene Leute vorfinden, denen die Pflege und Erziehung des
Waisenkindes anvertraut werden kann.
$ 8. Bei vorhandenem, aber zur Erziehung eines oder mehrerer Waisen
nicht zureichendem Vermögen hat sich der Grossh. Bürgermeister eine Be-
scheinigung des Amtsgerichts über den Bestand des Vermögens zu erbitten.
Wenn diese Bescheinigung nicht alsbald ertheilt werden kann, so darf deshalb
die Anzeige der Verwaisung ($ 6) nicht verschoben werden. Der Bürger-
meister hat sich hier einstweilen mit dem gerichtlich bestellten Vormund zu
benehmen, oder auf andere Weise (z. B. durch Erkundigungen bei dem Orts-
gerichte, Amtsgerichte u. s. w.) alsbald möglichst genau das Vermögen bezw.
Einkommen zu ermitteln und dem Kreisamt Vorlage zu machen.
In allen Fällen, in welchen Vermögen vorhanden ist, fliesst das Ein-
kommen aus diesem Vermögen, nach Abzug der darauf ruhenden unvermeid-
lichen Kosten und Lasten, ebenso wie etwaige Waisenpensionen, Unfallrenten
u. s w. so lange in die Landeswaisenkasse, als letztere Anforderungen für
das Waisenkind bestreitet.
Hinsichtlich der Feststellung und Ablieferung der reinen Einkünfte
(Intraden) in die Landeswaisenkasse sind die Vorschriften des Amtsblattes
Grossh. Ministeriums des Innern und der Justiz, Sektion für Justizverwaltung
No. 10 vom 4. April 1882 und No. 25 vom 19. December 1889 (s. Anhang
IV) massgebend.
IV. Wahl und Eigenschaften der Pflegeltern.
$ 9. Bei der Wahl der Päegeltern ist auf die individuellen Bedürfnisse
des Waisenkindes und die Eigenschaften der Pflegeltern zu sehen. Letztere
sollen einen sittlichen Wandel und ordentlichen Haushalt führen; sie dürfen
nicht durch eine zahlreiche eigene Familie von der nöthigen Aufsicht tiber
die anvertrauten Kinder abgehalten werden und sich nicht in der Lage be-
finden, dass sie in der übernommenen Waisenpflege blos ein Mittel zur Be-
friedigung eigener Bedürfnisse suchen. In der Regel sollen die Pflegeltern
sich zur Religion, bezw. Confession bekennen, in welcher das Waisenkind zu
erziehen ist. Wittwen können die Erziehung von Mädchen übernehmen, einem