Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

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Wittwer oder ledigen Manne ist nur ausnahmsweise ein Waisenkind zur Er- 
ziehung zu überlassen. 
Die Regel bildet die Unterbringung in rechtschaffenen Familien. Nur 
ausnahmsweise können Kinder, bei welchen die seitberige Verwahrlosung oder 
der Charakter eine strenge Beaufsichtigung und Erziehung besonders wün- 
schenswerth macht, — falls sich keine passende Familie findet, — in unter 
staatlicher Aufsicht stehenden Rettungsanstalten untergebracht werden. 
$ 10. Unter der Voraussetzung dieser wesentlichen Erfordernisse, eignen 
sich am meisten zu Pflegeltern kinderlose Eheleute, nahe Verwandte, Pathen, 
Freunde und Bekannte der verstorbenen Eltern. Auch sind in der Regel am 
Wohnorte der Eltern wohnende und solche Personen, welche das Gewerbe 
betreiben, dem sich das Waisenkind voraussichtlich widmen wird, ortsfremden 
und anderen Personen vorzuziehen. 
Eine Pflegbegebung in’s Ausland soll nur ausnahmsweise bei einer 
dringenden Veranlassung stattfinden. 
$ 11. Ist auf diese Eigenschaften vollständig Rücksicht genommen 
worden und ist der Ortsgeistliche, bezw. bei israelitischen Waisen der Rab- 
biner am Wohnorte mit der Wahl der Pflegeltern einverstanden, so wird der 
Pflegvertrag auf das vorgeschriebene Formular dreifach aufgenommen und 
dem Kreisamt zur Einholung der Genehmigung vorgelegt. 
Der Pflegeontract muss den Vor- und Zunamen, den Geburtstag und 
das Geburtsjahr des Waisenkindes, Namen und Wohnort der Pflegeltern, den 
Tag des Beginns der Verpflegung genau und vollständig enthalten. 
Bei der Inpflegbegebung müssen die Waisen mit zwei vollständigen An- 
zügen versehen sein, deren Beschaffung aus dem vorhandenen Vermögen, 
andernfalls auf Kosten der verpflichteten Orts- bezw. Landarmenverbände zu 
bewirken ist. 
$ 12. Sobald die Genehmigung der Grossh. Provinzialdirection erfolgt 
ist, erhält der Grossh. Bürgermeister durch das Kreisamt den Vertrag zur 
Einhändigung an die Pflegeltern, welche bezüglich der Auszahlung des Pfleg- 
geldes auf die auf S. 4 des Vertragsformulars abgedruckten Bestimmungen 
zu verweisen sind ($ 14). 
Sodann zeigt der Grossh. Bürgermeister dem Grossh. Kreisarzte die Auf- 
nahme des Waisenkindes in die Landeswaisenanstalt und die Namen der 
Pflegeltern an, damit der Kreisarzt nach $ 31 der Dienstinstruktion für die 
Grossh. Kreisärzte vom 14. Juli 1884 verfahren kann. 
V. Beaufsichtigung der Waisen. 
8:13. Nach erfolgter Aufnahme bei den Pflegeltern liegt die Aufsicht 
über Verpflegung und Erziehung dem Ortsgeistlichen, bei israelitischen Waisen 
dem Rabbiner am Wohnort, und dem Grossh. Bürgermeister am Aufenthalts- 
orte des Waisenkindes ob. Der Grossh, Bürgermeister soll insbesondere dar- 
Archiv für öffentliches Recht. IX. 1. 8
	        
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