Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

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dings unter der Voraussetzung, dass der Gesetzgeber die mit dem Verbot 
übernommene Aufgabe erfülle, „die von den wechselnden Bedürfnissen des 
Lebens und Verkehrs geforderten Aenderungen der Rechtsvorschriften recht- 
zeitig selbst vorzunehmen‘; aber kann ein Gesetzgeber diese Aufgabe er- 
füllen? — Die „Stiftung“ als (juristische) Person, die Schöpfung des verkom- 
menden römischen Rechts, wird nicht beanstandet. — Volle Zustimmung 
findet der sprachwidrige Vertragsbegriff des Entwurfs sammt dem abstracten 
Vertrag und dem dinglichen Vertrag: wissenschaftlichen und gesetzgeberischen 
Missgeburten, die für sich allein schon das Werk dem Volk völlig unver- 
ständlich machen und den Schwachen gegenüber dem Starken gefährden, was 
unseres Erachtens nicht dadurch gerechtfertigt ist, dass die Gesetzgebung 
jetzt schon „die allgemeine Wechselfähigkeit anerkennt und (in grossen 
Rechtsgebieten) jedem Grundeigenthtimer gestattet, Grundschulden zu be- 
stellen“ (S. 152); die hierin liegenden Gefahren sollte man zu beschränken 
bedacht sein, statt sie zu steigern. (Gegen die Bedenken wegen Zulassung 
der Grundschuld bemerkt übrigens der Verfasser mit Recht: „Soll das 
Wachsen der Verschuldung des Grundbesitzes gehemmt werden, so gibt es 
kein anderes Mittel als die Beschränkung der Verfügungsfreiheit der Grund- 
besitzer“. Sollte aber eine solche Beschränkung nicht die Aufgabe einer ge- 
sunden Socialpolitik sein? Die Rechtsverhältnisse des Grundbesitzes sind eine 
Angelegenheit nicht blos des Privatrechts, sondern des öffentlichen Interesses. 
Unbeanstandet lässt der Verfasser auch die Bestimmungen über die Verant- 
wortlichkeit der Beamten für ihre Amtshandlungen, die der Entwurf formell 
unrichtig unterschiedlos unter den Delictsobligationen behandelt, während er 
materiell jeden Schutz gegen die gröbsten Irrthümer in Civil- und Strafrechts- 
pflege so gut wie aufhebt (Entw. $ 736, vgl. dazu des Referenten „Anti- 
Seuffert* S. 155 fg.). — Die Ordnung des ehelichen Güterrechts greift tief 
in das Familienleben und damit in eine der Grundlagen der staatlichen 
Rechtsordnung ein, berührt also auch wesentlich das öffentliche Recht. Auch 
hier hat der Verfasser am Entwurf und an dem von ihm angenommenen, 
euphemistisch als „Verwaltungsgemeinschaft* bezeichneten Güterrechtssystem, 
dem „System des Mannesegoismus“ (vgl. GIERKE, der Entwurf eines bürgerl. 
Gesetzbuchs und das deutsche Recht, und unsere Besprechung dieser Schrift 
in Bd. V S. 598 fg. dieses Archivs) nichts einzuwenden, während erst neuer- 
dings von einer bayerischen Stimme in der Beilage zur Münchner Allgemeinen 
Zeitung als deutsches Güterrechtssystem die allgemeine Gütergemeinschaft ge- 
fordert worden ist mit dem (schwerlich in Erfüllung zu gehen bestimmten!) 
Wunsch, dass die Revisionscommission in diesem Sinn möge thätig werden. 
— Auch dagegen endlich, dass der Entwurf in der Hauptsache das römische 
Testamentserberecht beibehalten will, erhebt der Verfasser keine Einwendung; 
was er an dem vorgeschlagenen Erbrecht beanstandet, das ist nur die schranken- 
lose gesetzliche Erbfolge der Seitenverwandten, die er, bescheiden und dennoch 
willkürlich! auf den zehnten Grad beschränkt wissen will. Referent hat dem
	        
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