Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

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gegenüber an anderem Ort („Wort und That“ S. 117 fg.) den Vorschlag ge- 
macht, unter Aufhebung des Privattestaments die gesetzliche Erbfolge der 
Verwandten nur insoweit zuzulassen, als diesen Verwandten die Unterhalts- 
pflicht gegen den Erblasser obliegt; ob, wie der Verfasser (S. 323) meint, 
„einem solchen Versuch die Rechtsüberzeugung der weit überwiegenden Mehr- 
heit des Volks den entschiedensten Widerstand leisten würde“, das ist uns, 
wofern nicht etwa unter dem „Volk“ nur die besitzenden Klassen verstanden 
sein sollen, doch sehr zweifelhaft; und hier gerechtes Recht zu schaffen, das 
halten wir, im Gegensatz zum Verfasser, für eine der obersten Aufgaben des 
bürgerlichen Gesetzbuchs. 
Ulm. G. Pfizer. 
Ortloff, Dr. Herm., Staats- und Gesellschaftsvertretung im 
Strafverfahren — zur Umgestaltung des Strafverfahrens im 
constitutionellen Staate Tübingen 1893, Verlag der 
Laupp'schen Buchhandluug. 8°, V u. 114 8. 
Der Verfasser strebt eine möglichste Gleichstellung zwischen Staats- 
anwaltschaft und Vertheidigung im Strafverfahren an und verlangt zu diesem 
Zweck die Schaffung einer öffentlichen Anwaltschaft, in welcher das 
Anklage- und Vertheidigungsamt in einer staatlich organisirten Verbindung 
untergebracht werden soll unter möglicher Gleichstellung der Functionen des 
einen wie des anderen, sowie die Einführung einer nothwendigen Vertheidigung 
im Anklageprocess durch das verstaatlichte Vertheidigungsamt. Er plaidirt 
hiebei in eingehender Weise für die Abschaffung der Schwurgerichte 
und den Ersatz derselben durch die Schöffengerichte, dabei einen 
Standpunkt einnehmend, den er früher nicht einnahm. Es lassen sich ja, 
wie der Verfasser darlegt, für und gegen die Schwurgerichte und die Schöffen- 
gerichte, für oder gegen ausschliessliche Staatsgerichte eine Menge von 
Gründen aufführen, allein es sind doch immer einzelne hervorragende 
Gesichtspunkte, die durchschlaggebend sind. Dem Verfasser scheint die 
schon von Gneist befürchtete Gefahr der Selbstauslegung des streitigen 
Rechts bei der Souveränetät der Geschworenen wegen des Mangels aller 
staatsrichterlichen Controle während ihrer Berathung weit grösser als in den 
Schöffengerichten. Die gewaltsame Zerreissung des Urtheils im 
Schwurgericht in zwei logisch (?) untrennbare Theile und deren Zu- 
theilung an zwei verschiedene Organe, welche eine Einheit bilden müssten (?) 
widerspricht nach seiner Ansicht dem Wesen des Strafrechts. Er behauptet, 
dass der im Ausspruch der Straffolge durch das Strafurtheil befehlend 
hervortretende zweite Theil des Urtheils nur dann im Geiste des Gesetzes 
als dieser Befehl ausgesprochen werden könne, wenn der ihn aussprechende 
Richter seine Voraussetzungen als bestehend anerkannt hat, was nur der 
Fall wäre, wenn das Geschworenenurtheil ganz der Auffassung des Gerichts 
entspricht.
	        
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