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der Sache und der Logik widerstreitet — und hieran, bemerkt der Verfasser
zutreffend, krankt allein das seit 1848 mit Aufnahme der französischen
Staatsanwaltschaft reformirte deutsche Strafverfahren und insonderheit das
Vorverfahren.
Um alle Willkür von der Thätigkeit der Staats- und Gesellschafts-
anwälte im Dienste der Gerechtigkeit auszuschliessen, sind dieselben nur
unter die „Autorität der Gesetze“ und ihres Rechtsbewusstseins zu
stellen. Nur hierdurch, durch Schaffung einer wirklichen „öffentlichen
Anwaltschaft‘“, eines staatlichen Instituts, das vor und unter den
(serichten organisirt ist, vor welchen sie den Process betreibt, kann die
Gesetzesherrschaft verwirklicht werden.
Zweck und Aufgabe der vorliegenden Schrift ist, eine im Sinne des
Ministers von Mittnacht nothwendige Verständigung über die grundlegenden
Verbesserungen und den Weg zu weiteren Compromissen zwischen den
Gesetzgebungsfactoren anzubahnen, wobei der Verfasser von den Grund-
gedanken geleitet wird, welche ich oben angedeutet habe — namentlich in
Bezug auf das Vorverfahren des deutschen Strafprocesses, des aner-
kanntermassen misslungensten und reformbedürftigsten Theiles desselben:
Die einzuführende Gesellschaftsanwaltschaft ist durch Einreihung derselben
in die Staatsanwaltschaft zu verwirklichen, wobei der öffentliche Ankläger
mit dem öffentlichen Vertheidiger auf gleicher dienstlicher Stufe stehen
müsste,
Ein Hauptfehler unserer Einrichtungen liegt darin, dass in $ 151 des
deutsch. Gerichts-V.-Ges. die Staatsanwaltschaft eine den Gerichten neben-
geordnete Behörde ist; hierdurch ist sie eine der Vertheidigung, die zudem,
als formelle, stets eine nothwendige sein muss, überlegene Vertretung staats-
rechtlicher Interessen.
Der Verfasser verbreitet sich im Anschlusse hieran des Weiteren darüber,
wie die Organisirung der öffentlichen Anwaltschaft stattzufinden habe, und
macht in dieser Beziehung höchst achtungswerthe Vorschläge. Gleichwohl
muss ich doch hier meine Bedenken äussern, indem ich eine Verstaat-
lichung der Rechtsanwaltschaft weit zurückweise, in derselben das Grab
jeder ‚„freien‘‘ Anwaltschaft erblickend.
Wenn man übrigens verstaatlichen will (ich perhorrescire jede Verstaat-
lichung der Anwaltschaft), warum soll dann die Gesellschaftsanwaltschaft in
die Staatsanwaltschaft eingereiht werden, warum kann man nicht für
jene eine besondere Behörde schaften, welche von der Staatsanwaltschaft, zu
der sie, wie begreiflich, stets in einem äntagonistischen Verhältniss steht,
getrennt, ihr aber doch gleichgestellt ist? Ich meine man kann Alles, was
dem Verfasser vorschwebt, durch Folgendes erreichen: 1. durch Reorganisation
der Staatsanwaltschaft im Sinne des Verfassers, 2. durch Reorganisation der
Rechtsanwaltschaft in wahrhaft freiheitlichem Sinne unter Beseitigung vieler
höchst rückschrittlicher Bestimmungen der Rechtsanwalts-, der Strafprocess-