Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

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der Sache und der Logik widerstreitet — und hieran, bemerkt der Verfasser 
zutreffend, krankt allein das seit 1848 mit Aufnahme der französischen 
Staatsanwaltschaft reformirte deutsche Strafverfahren und insonderheit das 
Vorverfahren. 
Um alle Willkür von der Thätigkeit der Staats- und Gesellschafts- 
anwälte im Dienste der Gerechtigkeit auszuschliessen, sind dieselben nur 
unter die „Autorität der Gesetze“ und ihres Rechtsbewusstseins zu 
stellen. Nur hierdurch, durch Schaffung einer wirklichen „öffentlichen 
Anwaltschaft‘“, eines staatlichen Instituts, das vor und unter den 
(serichten organisirt ist, vor welchen sie den Process betreibt, kann die 
Gesetzesherrschaft verwirklicht werden. 
Zweck und Aufgabe der vorliegenden Schrift ist, eine im Sinne des 
Ministers von Mittnacht nothwendige Verständigung über die grundlegenden 
Verbesserungen und den Weg zu weiteren Compromissen zwischen den 
Gesetzgebungsfactoren anzubahnen, wobei der Verfasser von den Grund- 
gedanken geleitet wird, welche ich oben angedeutet habe — namentlich in 
Bezug auf das Vorverfahren des deutschen Strafprocesses, des aner- 
kanntermassen misslungensten und reformbedürftigsten Theiles desselben: 
Die einzuführende Gesellschaftsanwaltschaft ist durch Einreihung derselben 
in die Staatsanwaltschaft zu verwirklichen, wobei der öffentliche Ankläger 
mit dem öffentlichen Vertheidiger auf gleicher dienstlicher Stufe stehen 
müsste, 
Ein Hauptfehler unserer Einrichtungen liegt darin, dass in $ 151 des 
deutsch. Gerichts-V.-Ges. die Staatsanwaltschaft eine den Gerichten neben- 
geordnete Behörde ist; hierdurch ist sie eine der Vertheidigung, die zudem, 
als formelle, stets eine nothwendige sein muss, überlegene Vertretung staats- 
rechtlicher Interessen. 
Der Verfasser verbreitet sich im Anschlusse hieran des Weiteren darüber, 
wie die Organisirung der öffentlichen Anwaltschaft stattzufinden habe, und 
macht in dieser Beziehung höchst achtungswerthe Vorschläge. Gleichwohl 
muss ich doch hier meine Bedenken äussern, indem ich eine Verstaat- 
lichung der Rechtsanwaltschaft weit zurückweise, in derselben das Grab 
jeder ‚„freien‘‘ Anwaltschaft erblickend. 
Wenn man übrigens verstaatlichen will (ich perhorrescire jede Verstaat- 
lichung der Anwaltschaft), warum soll dann die Gesellschaftsanwaltschaft in 
die Staatsanwaltschaft eingereiht werden, warum kann man nicht für 
jene eine besondere Behörde schaften, welche von der Staatsanwaltschaft, zu 
der sie, wie begreiflich, stets in einem äntagonistischen Verhältniss steht, 
getrennt, ihr aber doch gleichgestellt ist? Ich meine man kann Alles, was 
dem Verfasser vorschwebt, durch Folgendes erreichen: 1. durch Reorganisation 
der Staatsanwaltschaft im Sinne des Verfassers, 2. durch Reorganisation der 
Rechtsanwaltschaft in wahrhaft freiheitlichem Sinne unter Beseitigung vieler 
höchst rückschrittlicher Bestimmungen der Rechtsanwalts-, der Strafprocess-
	        
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