Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

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Ohne hierüber mit dem Verfasser, der offenbar die ethische Seite dieser 
von ihm verworfenen Bestrebungen übersieht, im Weitern zu rechten — der 
Raum, der mir hier gewährt ist, verbietet ein tieferes Eingehen —, halte ich 
es doch für angemessen, den dem Verbot der ref. in pej. vom Verfasser ge- 
machten Vorwurf und der Forderung desselben auf Ausmerzung dieser 
Vorschrift in der Str.P.O. entgegenzutreten. Der Verfasser behauptet, es 
werde hauptsächlich durch das genannte Verbot bewirkt, dass von den ver- 
urtheilten Verbrechern Rechtsmittel frivol eingelegt würden, nur in der 
Absicht, durch Verdrehungen aller Art die Sache zu verdunkeln und Frei- 
sprechung oder doch Milderung ihrer Strafe zu erreichen, indem sie eben 
des Verbotes der ref. in pej. wegen hiebei nichts verlieren, aber wohl Alles 
gewinnen könnten. Nach seinen eigenen statistischen Nachweisungen wird 
einem Viertel von allen eingelegten Berufungen und Revisionen stattgegeben, 
ein Beweis, dass noch genug verkehrte Urtheile gefällt werden — will der 
Verfasser etwa auch in Betreff dieser Berufungen und Revisionen Frivolität 
in der Einlegung derselben Seitens der Verurtheilten erblicken ? Sollen sie 
etwa durch Aufhebung des Verbots der ref. in pej. abgeschreckt werden, ihr 
gutes Recht zu suchen, damit die Gerichte weniger zu thun haben, die staat- 
liche Gerechtigkeitspflege weniger koste. Das Verbot ist im Interesse des 
Angeklagten gegeben, der Angeklagte ist heute nicht mehr blos Untersuchungs- 
object, er ist nicht stets ein Verbrecher, sondern oft ein Verirrter, wenn nicht 
ein Unschuldiger. Die wenigen Einrichtungen der Strafprocessordnung, die zu 
seinem Schutze eingeführt sind, gegenüber der bevorzugten Stellung der 
Staatsgewalt im Strafprocess, dürfen nicht beseitigt werden, weil sie etwa 
von verkommenen Verbrechern missbraucht werden könnten! Vom rein 
juristischen Standpunkt aus mag der Verfasser, dessen Ausführungen in 
dieser Richtung viel Scharfsinn und Kenntnisse verrathen, in Manchem Recht 
haben, allein im Strafrecht und Strafprocess kann man nicht alle juristischen 
Consequenzen ziehen, hier hat der rein menschliche Standpunkt mehr in den 
Vordergrund zu treten. 
Ein wirksames Mittel an sich, die vermeintliche schädliche Wirkung 
des Verbots der ref. in pej. aufzuheben, wäre nach des Verfassers Meinung 
das, dass man die Staatsanwaltschaften in allen Fällen, in welchen von 
Angeklagten Berufungen oder Revisionen eingelegt würden, anwiese, 
gleichfalls, selbständig, von diesen Rechtsmitteln Gebrauch zu machen. 
Hiervon ist jedoch, nach des Verfassers Meinung, abzusehen, da dies Mittel 
unangemessen wäre, indem es sich als eine Umgehung unseres Verbots dar- 
stellen würde. Zugegeben, ja m. E. würden dann die Staatsanwälte ebenso 
frivol, ja noch frivoler erscheinen, als die vom Verfasser für frivol erklärten 
Rechtsmittel einlegenden Angeklagten. Die Darlegung des Verfassers in Betreff 
dieses wirksamen, jedoch unangemessenen Mittels ist eine deductio ad 
absurdum. Wir haben den Anklageprocess — ich sage nun: ist der Ver- 
treter der Anklage nicht zufrieden mit einem Urtheil, dann mag er, in
	        
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