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Ohne hierüber mit dem Verfasser, der offenbar die ethische Seite dieser
von ihm verworfenen Bestrebungen übersieht, im Weitern zu rechten — der
Raum, der mir hier gewährt ist, verbietet ein tieferes Eingehen —, halte ich
es doch für angemessen, den dem Verbot der ref. in pej. vom Verfasser ge-
machten Vorwurf und der Forderung desselben auf Ausmerzung dieser
Vorschrift in der Str.P.O. entgegenzutreten. Der Verfasser behauptet, es
werde hauptsächlich durch das genannte Verbot bewirkt, dass von den ver-
urtheilten Verbrechern Rechtsmittel frivol eingelegt würden, nur in der
Absicht, durch Verdrehungen aller Art die Sache zu verdunkeln und Frei-
sprechung oder doch Milderung ihrer Strafe zu erreichen, indem sie eben
des Verbotes der ref. in pej. wegen hiebei nichts verlieren, aber wohl Alles
gewinnen könnten. Nach seinen eigenen statistischen Nachweisungen wird
einem Viertel von allen eingelegten Berufungen und Revisionen stattgegeben,
ein Beweis, dass noch genug verkehrte Urtheile gefällt werden — will der
Verfasser etwa auch in Betreff dieser Berufungen und Revisionen Frivolität
in der Einlegung derselben Seitens der Verurtheilten erblicken ? Sollen sie
etwa durch Aufhebung des Verbots der ref. in pej. abgeschreckt werden, ihr
gutes Recht zu suchen, damit die Gerichte weniger zu thun haben, die staat-
liche Gerechtigkeitspflege weniger koste. Das Verbot ist im Interesse des
Angeklagten gegeben, der Angeklagte ist heute nicht mehr blos Untersuchungs-
object, er ist nicht stets ein Verbrecher, sondern oft ein Verirrter, wenn nicht
ein Unschuldiger. Die wenigen Einrichtungen der Strafprocessordnung, die zu
seinem Schutze eingeführt sind, gegenüber der bevorzugten Stellung der
Staatsgewalt im Strafprocess, dürfen nicht beseitigt werden, weil sie etwa
von verkommenen Verbrechern missbraucht werden könnten! Vom rein
juristischen Standpunkt aus mag der Verfasser, dessen Ausführungen in
dieser Richtung viel Scharfsinn und Kenntnisse verrathen, in Manchem Recht
haben, allein im Strafrecht und Strafprocess kann man nicht alle juristischen
Consequenzen ziehen, hier hat der rein menschliche Standpunkt mehr in den
Vordergrund zu treten.
Ein wirksames Mittel an sich, die vermeintliche schädliche Wirkung
des Verbots der ref. in pej. aufzuheben, wäre nach des Verfassers Meinung
das, dass man die Staatsanwaltschaften in allen Fällen, in welchen von
Angeklagten Berufungen oder Revisionen eingelegt würden, anwiese,
gleichfalls, selbständig, von diesen Rechtsmitteln Gebrauch zu machen.
Hiervon ist jedoch, nach des Verfassers Meinung, abzusehen, da dies Mittel
unangemessen wäre, indem es sich als eine Umgehung unseres Verbots dar-
stellen würde. Zugegeben, ja m. E. würden dann die Staatsanwälte ebenso
frivol, ja noch frivoler erscheinen, als die vom Verfasser für frivol erklärten
Rechtsmittel einlegenden Angeklagten. Die Darlegung des Verfassers in Betreff
dieses wirksamen, jedoch unangemessenen Mittels ist eine deductio ad
absurdum. Wir haben den Anklageprocess — ich sage nun: ist der Ver-
treter der Anklage nicht zufrieden mit einem Urtheil, dann mag er, in