Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

— 12 — 
die Ausführungsverordnungen folgen. Der Gesetzestext ist mit gut orien- 
tirenden Anmerkungen versehen, in welchen der Verfasser die wichtigsten 
ministeriellen Entscheidungen und die bemerkenswerthesten Erkenntnisse der 
Gerichte, namentlich die des Oberverwaltungsgerichtes anführt, so dass 
Aurch den Gebrauch des schön ausgestatteten PoggeE’schen Buches das müh- 
selige und zeitraubende Nachschlagen in den betreffenden amtlichen Aus- 
gaben erspart wird. 
Dr. Hermann Blodig jun. 
Leithner, Was ist Recht? Eine Studie. Leipzig, Wiest, 1893. 8°, X. 
Die Rechtsidee zu finden, hat der Verfasser sich zur Aufgabe gestellt, 
bei deren Lösung er augenscheinlich von der unsere Zeit bewegenden socialen 
Frage beeinflusst worden ist. L. gelangt zu dem Satze, dass Unrecht Alles 
ist, was das Dasein des Menschen verkümmert, vernichtet, „Wehe« erzeugt, 
Recht Alles, was das Dasein fördert, Verkümmerung hintanhält, „Wehe* 
beseitigt. Die Beseitigung erlittenen Weh’s geschieht durch Vergeltung, 
d. h. dadurch, dass Derjenige, dessen Thun Wehe verursacht hat, ent- 
sprechendes Wehe erfährt Vergeltung ist nach L. Inhalt und Wesen des 
Rechtsbegriffes; durch Vergeltung erfüllt das Recht seine Aufgabe: die im 
Unrechte liegende Ungleichheit an Wohl und Wehe innerhalb der Beziehungen 
der Menschenkinder auszugleichen. 
Die Anforderung, dass das ideale Recht dem Vergeltungsdrange Rechnung 
tragen muss, kann man ],. als richtig zugeben. Allein mit diesem einen 
Ergebnisse ist nicht schon eine befriedigende Feststellung der Rechtsidee 
geliefert. Dazu gehören unbedingt Merkmale, welche das Gebiet des Rechtes 
von anderen Aeusserungen des menschlichen Lebens, vor allem von der 
Moral, scheiden. An solchen Merkmalen fehlt es in den Ausführungen L.’s, 
ja es fehlt sogar an einer Abgrenzung gegen die Geschehnisse der unbelebten 
Natur. Auch die durch Mitleid hervorgerufene Handlungsweise, welche 
Wehe hintanhält oder beseitigt, unterfällt nach L. dem Rechtsbegriffe; wer 
keine Barmherzigkeit übt, thut nach L. Unrecht; der Blitzschlag, . welcher 
menschliches Besitzthum zerstört und Wehe erzeugt, schafft nach L. Unrecht. 
Eine solche Verflüchtigung des Begriffes von Recht und Unrecht wird 
schwerlich Anklang finden. 
In der Art, wie L. die Unfreiheit des Willens nachzuweisen sucht, liegt 
eine petitio principi. Wenn L. alles menschliche Empfinden und Thun auf 
eine zwischen dem Menschen und dem Gegenstande seines Empfindens oder 
Thuns wirkende Anziehungskraft zurückführt, dann überlegt: „Anziehungs- 
kraft ist Thätigkeit, also selbst Bewegung eines anziehenden Wesens, dessen 
Bewegung ist unmöglich ohne Anziehung Seitens eines 
Dritten und die Anziehung dieses unmöglich ohne eigene 
Bewegung und so fort“ — und auf diese Weise zu dem Schlusse 
gelangt, dass die Willensregung nicht ihr eigener Schöpfer, sondern ein „aus
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.