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die Ausführungsverordnungen folgen. Der Gesetzestext ist mit gut orien-
tirenden Anmerkungen versehen, in welchen der Verfasser die wichtigsten
ministeriellen Entscheidungen und die bemerkenswerthesten Erkenntnisse der
Gerichte, namentlich die des Oberverwaltungsgerichtes anführt, so dass
Aurch den Gebrauch des schön ausgestatteten PoggeE’schen Buches das müh-
selige und zeitraubende Nachschlagen in den betreffenden amtlichen Aus-
gaben erspart wird.
Dr. Hermann Blodig jun.
Leithner, Was ist Recht? Eine Studie. Leipzig, Wiest, 1893. 8°, X.
Die Rechtsidee zu finden, hat der Verfasser sich zur Aufgabe gestellt,
bei deren Lösung er augenscheinlich von der unsere Zeit bewegenden socialen
Frage beeinflusst worden ist. L. gelangt zu dem Satze, dass Unrecht Alles
ist, was das Dasein des Menschen verkümmert, vernichtet, „Wehe« erzeugt,
Recht Alles, was das Dasein fördert, Verkümmerung hintanhält, „Wehe*
beseitigt. Die Beseitigung erlittenen Weh’s geschieht durch Vergeltung,
d. h. dadurch, dass Derjenige, dessen Thun Wehe verursacht hat, ent-
sprechendes Wehe erfährt Vergeltung ist nach L. Inhalt und Wesen des
Rechtsbegriffes; durch Vergeltung erfüllt das Recht seine Aufgabe: die im
Unrechte liegende Ungleichheit an Wohl und Wehe innerhalb der Beziehungen
der Menschenkinder auszugleichen.
Die Anforderung, dass das ideale Recht dem Vergeltungsdrange Rechnung
tragen muss, kann man ],. als richtig zugeben. Allein mit diesem einen
Ergebnisse ist nicht schon eine befriedigende Feststellung der Rechtsidee
geliefert. Dazu gehören unbedingt Merkmale, welche das Gebiet des Rechtes
von anderen Aeusserungen des menschlichen Lebens, vor allem von der
Moral, scheiden. An solchen Merkmalen fehlt es in den Ausführungen L.’s,
ja es fehlt sogar an einer Abgrenzung gegen die Geschehnisse der unbelebten
Natur. Auch die durch Mitleid hervorgerufene Handlungsweise, welche
Wehe hintanhält oder beseitigt, unterfällt nach L. dem Rechtsbegriffe; wer
keine Barmherzigkeit übt, thut nach L. Unrecht; der Blitzschlag, . welcher
menschliches Besitzthum zerstört und Wehe erzeugt, schafft nach L. Unrecht.
Eine solche Verflüchtigung des Begriffes von Recht und Unrecht wird
schwerlich Anklang finden.
In der Art, wie L. die Unfreiheit des Willens nachzuweisen sucht, liegt
eine petitio principi. Wenn L. alles menschliche Empfinden und Thun auf
eine zwischen dem Menschen und dem Gegenstande seines Empfindens oder
Thuns wirkende Anziehungskraft zurückführt, dann überlegt: „Anziehungs-
kraft ist Thätigkeit, also selbst Bewegung eines anziehenden Wesens, dessen
Bewegung ist unmöglich ohne Anziehung Seitens eines
Dritten und die Anziehung dieses unmöglich ohne eigene
Bewegung und so fort“ — und auf diese Weise zu dem Schlusse
gelangt, dass die Willensregung nicht ihr eigener Schöpfer, sondern ein „aus