— 169 —
bemittelte Genosse sie aufbringen kann, so würde dies oft für den Geschäfts-
betrieb der Genossenschaft — da der Geschäftsantheil nicht höher sein darf
als die Haftsumme — nicht ausreichen, wollte aber die Genossenschaft bei
hoher Haftsumme die Aufnahme der Mitglieder von deren Capitalkraft ab-
hängig machen, so würde sie den genossenschaftlichen Boden verlassen und
eine Capitalgesellschaft werden.
Der Verfasser übersieht, dass Genossenschaften mit unbeschränkter und
beschränkter Haftpflicht die gleiche rechtliche und wirthschaftliche
Natur haben, und dass sich daraus die Nothwendigkeit eines gleichen Concurs-
verfahrens ergiebt. Wenn dann statt des Einzelangriffs ein Umlageverfahren
wie bei der Genossenschaft mit unbeschränkter Nachschusspflicht ge-
fordert wird, durch Hineinziehung der Ausgeschiedenen in dasselbe, so ist
nicht beachtet, dass diese Bestimmung die Genossenschaft mit unbeschränkter
Nachschusspflicht für die Praxis unbrauchbar gemacht hat. — —
Auf den letzten Seiten wendet sich Dr. LıeBig sehr entschieden gegen
das auf Verbindung der Selbsthilfe mit Staatshilfe beruhende sozialreforma-
torische Genossenschaftswesen des FrH. von Broich, das durch die Zulassung
der Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht unmittelbar hervorgerufen
ist, und bekennt sich zu den Genossenschaften, die „auf dem allein richtigen
Prineip der Selbsthülfe“ beruhen, welche „sich innerhalb weniger Jahrzehnte
zu einer wirthschaftlichen Grossmacht herangebildet“ haben.
Berlin. Hans Crüger.
Blumer, Dr. J. J. und Morel, Dr. J., Handbuch des Schweizerischen
Bundesstaatsrechtes. 3. Auflage. Erster Band. Basel, Benno
Schwabe. 1891. X u. 618 S.
Wie die 2. so ist auch die 3. Auflage dieses angesehenen Handbuches
von Bundesrichter MoREL besorgt. MorREL hat sich nicht darauf beschränkt,
den Inhalt bis auf die neueste Zeit zu ergänzen, sondern hat das Werk mit
eigenen Ausführungen bereichert.
Der erste Band der 3. Auflage, der uns vorliegt, weist neu einige Kapitel
allgemein staatsrechtlichen Inhaltes auf, so über den Begriff des Bundes-
staates, die Souverainität des Bundes neben der Autonomie der Cantone, das
Gebiet der Cantone und des Bundes, das Schweizerbürgerrecht, die Option
und den rechtlichen Charakter der sog. Grundrechte.
Das erste Kapitel beginnt mit einer allgemeinen Begriffsbestimmung
des Staates. MoREL schliesst sich der Lehre LasAanp’s von der Staats-
persönlichkeit an. Der Staat ist Rechtssubject auf dem Gebiete des öffent-
lichen Rechts; mit eigener Willensfähigkeit sucht er die in seiner Zweck-
bestimmung liegenden socialen und politischen Aufgaben zu erfüllen. Im
Gegensatze zu GERBER und LABAND nimmt jedoch MoREL an, dass die
Persönlichkeit dem Staate durch die Verfassung bezw. durch die auf Ge-