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Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass für die an letzter
Stelle genannten Entscheidungen die Bezeichnung „constitutiv“
durchaus zutreffend ist°”., Wie kommt es, dass gleichwohl die
Patentertheilung von Manchem für bloss declarativ gehalten wird?
Je weniger eine Entscheidung auf das Ermessen des Ent-
scheidenden gestellt ist, je bestimmter die anzuwendende Rechts-
norm, je klarer und einfacher der zu beurtheilende T'hatbestand
ist, um so directer wird das subjective Recht mit diesen rechtser-
zeugenden Factoren verknüpft, um so mehr tritt die Bedeutung
der Entscheidung in den Hintergrund. Ist dagegen dem Ermessen
des Entscheidenden ein’ weiterer Spielraum eingeräumt, so — sagt
man — muss das Recht durch den Mund des Richters gehen,
um existent und verwirklicht werden zu können, weil unmittelbar
aus dem Gesetze die Betheiligten nicht zu erkennen vermögen,
was Rechtens ist’°®); die Entscheidung erscheint hier als nothwendige
Voraussetzung des Rechts und seiner Realisirung°°),
Die Verurtheilung zur Abgabe von Willenserklärungen, 8. 56 ff., unterscheidet
Feststellungsurtheile, condemnatorische Urtheile und Urtheile, welche den
Eintritt von Rechtswirkungen gebieten. — Ueber die Frage, ob die letzteren
Urtheile ausschliesslich ins Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit fallen, s.
S. 58 ebenda. — KoHLeEr sagt im Archiv für civilistische Praxis, Bd. 80, S. 269
Note 1: „Etwas anderes ist es, wenn der Richter zwischen zwei Parteien A und
B durch Urtheil entscheidet: A ist Eigenthümer und nicht B; etwas anderes,
wenn durch Vollstreckungsact das Eigenthum von B auf den A übertragen wird;
denn im ersten Fall handelt es sich um eine Rechtsfestsetzung, im zweiten Fall
um eine Rechtsschaffung; die erstere kann relativ sein, nicht auch die letztere.“
Wir fügen hinzu: Etwas anders ist es endlich drittens, wenn im Theilungs-
verfahren, das dem A und B gehörige Eigenthum dem A zugesprochen wird.
87) v, SCHRUTKA-RECHTENSTAMM in Grünhut’s Ztschr., Bd. X, S.182f. Reum,
Die rechtl. Natur der Gewerbsconcession, S. 76f. Es giebt nicht nur „constitutive
Verwaltungsacte, Verfügungen“, sondern auch „constitutive Entscheidungen, Ur-
theile“. Dies wird von BEernartzık (Rechtsprechung und materielle Rechtskraft
81), Meyer (Staatsrecht 8177, Verwaltungsrecht $8), Lapann (Staatsrecht, Bd. I,
S.676f.), Mave (Archiv für öff.R., Bd. III, 8.43f.) nicht beachtet. — Die Patent-
ertheilung steht in der Mitte zwischen der lex specialis und dem Feststellungs-
urtheil; sie hat wie jene gonstitutiven Effect, sie ist wie dieses Rechtsanwendung.
68) Vgl. oben die in Note 54 angezogenen Schriftsteller.
#) Die Neigung der modernen Civil-Gesetzgebung, den Spielraum des