Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

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schieden haben würde. Es folgt dies daraus, dass die Neuorganisation eines 
Gerichts einem praktischen Bedürfnisse entsprechen soll und somit also das 
öffentliche Interesse obwaltet, diesem Bedürfniss baldmöglichst Genüge zu 
leisten und dem neuen Gerichte, sobald es organisirt ist, auch keine Rechts- 
streitigkeiten seines Bezirks vorzuenthalten. 
Uebrigens darf aber auch nicht ausser Acht gelassen werden, dass bei 
der Eingangs dargelegten Auffassung der $ 235 Nr. 2 C.-P.-O. ohne petitio 
prineipi schon um deswillen nicht entgegenstehen kann, weil nach jener 
Auffassung das succedirende neue Gericht gerade dasjenige Prozessgericht 
ist, bei welchem mit seiner Existenz die zu seinem Bezirke gehörige schwe- 
bende Rechtssache anhängig wurde. Dazu tritt, dass es sich hier um einen 
in der Berufungsinstanz schwebenden Rechtsstreit handelt und die Ueber- 
ordnung des Landgerichts zu Essen über das Amtsgericht zu Bochum mit 
dem 1. Oktober 1892 erloschen ist, so dass jenem auch die Befugniss ge- 
nommen ist, die Urtheile von diesem noch ferner zu ändern. Der $ 485 
C.-P.-O. bezieht sich nur auf das Verfahren vor dem Gerichte, aber nicht 
auf die Frage, wie lange ein Gericht dem anderen übergeordnet sein soll, 
wenn diese Ueberordnung aufhört und wie es mit der Ueberleitung an- 
hängiger Prozesse im Falle einer Reorganisation der Gerichte gehalten 
werden soll. 
Verneint man, dass die Vorschrift des $ 235 Nr. 2 C.-P.-O. auf den 
Fall einer Reorganisation der Gerichte Anwendung finden darf, so entsteht 
die Frage, ob nicht die Bestimmungen der Civilprozessordnung betreffend 
die Vereinbarung über die Zuständigkeit der Gerichte Platz zu greifen haben. 
Es handelt sich hier um einen Rechtsstreit über vermögensrechtliche Fragen 
und um keine Klage, für welche ein ausschliesslicher Gerichtsstand begründet 
ist. Allein eine Vereinbarung der Parteien über die:Zuständigkeit eines 
Gerichts kann nur in der ersten Instanz stattfinden und die Parteien können 
nicht in verpflichtender Weise für die höheren Gerichte bestimmen, welchem 
höheren Gerichte sie die Entscheidung des Rechtsmittels der Berufung über- 
tragen wollen.” — 
Sogar in — mindestens einer — Beschwerdesache betreffend 
Kostenfestsetzung hat das Landgericht Bochum, nachdem das 
Landgericht Essen sich für unzuständig erachtet hatte, die Ent- 
scheidung abgelehnt — und zwar ebenfalls auf Grund des $ 235 
Nr. 2 C.-P.-0. Die Sache scheint an das Landgericht Essen 
nicht wieder zurückgekommen zu sein; — mir scheint es aber 
rechtlich auch nicht erklärbar zu sein, wie in denjenigen Sachen, 
in welchen rechtskräftig bei den alten Landgerichten erkannt 
worden, diese alten Gerichte sich noch als zuständig ansehen
	        
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