Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

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der Sache liegenden hin, ohne dies zu begründen und zu beweisen. Seine 
Unterscheidung zwischen der souveränen, zum Erlass einer Constitution be- 
fugten Gewalt und den Trägern der gesetzgebenden, vollziehenden und richter- 
lichen Gewalt als den von der Staatsgewalt erst geschaffenen Organen wird 
auf das Axiom gestützt: „La constitution ne peut &maner que d’un pouvoir 
constituant, superieur au pouvoirs constitues“. 
Nun ist es wohl richtig, dass die constituirende Gewalt im Verhältniss 
zu den von ihr geschaffenen und mit gewissen Befugnissen ausgestatteten 
Organen, das logisch Frühere ist; aber es ist nicht logisch nothwendig, dass 
sie sich ein Gebiet staatlicher Willensäusserungen reservirt, welches auch in 
Zukunft auf andere Art als durch die verfassungsmässigen Organe geregelt 
wird. Ebensowenig ist es berechtigt, zwischen dem Willen des Staates selbst 
und dem seiner Organe einen Unterschied zu machen. Der in verfassungs- 
mässiger Form erklärte Wille der constituirten Organe gilt eben kraft 
verfassungsmässigen Rechtssatzes als Staatswille und das Verfassungsrecht 
schafft für die verschiedenen Arten staatlicher Willensacte bestimmte, rechtlich 
normirte Wege mit Ausschluss anderer nicht geregelter Formen der Willens- 
bethätigung. Zu diesen geregelten Formen kann allerdings auch das Ple- 
biscit oder eine andere Art der allgemeinen Volksabstimmung gehören; aber 
es ist nicht zu begreifen, warum gerade diese Form für gewisse Anordnungen 
unerlässlich sein soll. Das Beispiel der beiden grossen Staaten ohne geschrie- 
bene Verfassungen, England und Ungarn, das Beispiel der Schweiz vor Ein- 
führung des Referendums und Frankreichs selbst und das Beispiel der deutschen 
Staatengruppe beweisen doch zur Genüge, dass Freiheit, Recht und Ord- 
nung und ein fester und anerkannter Verfassungszustand auch ohne Plebiseit 
oder ähnliche Institutionen bestehen können. Dagegen stützte sich der 
bonapartische Cäsarismus gerade auf das Plebiscit.e. Und glaubt der Verf. 
etwa, dass, wenn heut in Russland eine Verfassung der allgemeinen Volks- 
abstimmung unterbreitet und eingeführt werden würde, sie einen wirksamen 
Schutz gegen absolutistische Willkür und despotische Grausamkeit bieten 
würde? 
Vor Allem aber hätte der Verf. an der Hand der positiven Gesetz- 
gebung die Grenze zwischen dem Gebiete der constituirenden und der gesetz- 
gebenden Gewalt darlegen müssen. Die Ausführungen des Verfassers gehen 
dahin, dass alle in eine Verfassungsurkunde aufgenommenen Bestimmungen 
und alle ausdrücklich als constitutionelle oder organische erklärte Gesetze, 
Verfassungszusätze u. s. w. die von ihm verlangte höhere Weihe und Kraft 
haben; er knüpft dieselbe also an ein äusseres, formelles Kriterium. Gleich- 
zeitig leitet er aber die spezifische Verschiedenheit der constituirenden und 
der gewöhnlichen Gesetzgebung daraus her, dass die erstere das Fundament 
bilde, auf welchem erst die „gesetzgebende Gewalt“ — sowie die beiden 
anderen „Gewalten“ — errichtet, organisirt und mit bestimmten Aufgaben und 
Zuständigkeiten ausgestattet werden; er begründet also den Vorrang der
	        
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