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und zugleich des Einzelnen gebührend berücksichtigende Gesetzgebung zu
wandeln, das Ziel, welches sie zu erstreben hat. Einen dreifachen Zweck
verfolgt der Verfasser mit seinem Werke. Die Arbeit ist bestimmt, zunächst
eine möglichst vollständige Materialiensammlung für die Entwicklung des
Strafmittels der Polizeiaufsicht zu geben, die als Grundlage für legislatorische
Erörterungen zu dienen geeignet ist und durch die statistischen und litera-
rischen Beläge jedem Leser die Bildung eines selbständigen Urtheils über
das behandelte Thema ermöglichen soll. Sodann beabsichtigt der Verfasser,
auf dem Wege der geschichtlichen rechtsvergleichenden Erforschung des ge-
nannten Strafmittels eine theoretische Grundlage für die Reformbestrebungen
der Gegenwart zu suchen und eine organische Verbindung derselben mit der
geschichtlichen Entwicklung des Strafrechts nachzuweisen.
Endlich sollte in der Arbeit nach neuen Gesichtspunkten für das weitere
Studium des Verbrecherthums, insbesondere des rückfälligen, sowie nach
neuen Handhaben zu dessen erfolgreicher Bekämpfung gesucht werden.
In dem referierenden Theile des Werkes bespricht der Verfasser aus-
führlich die Polizejaufsicht und ähnliche Massregeln betreffende gesetzliche
Bestimmungen Frankreichs, Belgiens, Italiens, Oesterreichs, Ungarns, Russ-
lands, Schwedens, Norwegens, der Schweiz, der einzelnen deutschen Staaten
und endlich des deutschen Reiches, in jedem einzelnen Falle sich nicht da-
rauf beschränkend, die gesetzlichen Bestimmungen nur anzuführen, sondern
indem er regelmässig auch auf der Grundlage statistischen Materials an den
Erfolgen bezw. Misserfolgen der Massregeln deren Werth bezw. Unwerth
feststellt. Es wird dem Leser ein buntes Bild von Mitteln und Mittelchen
vorgeführt, durch welche man seit einem Jahrhundert bald die Gesellschaft
zu schützen, bald den Verbrecher abzuschrecken, bald ihn zu bessern, bald
alles zusammen versuchte.
Als das Facit seiner Untersuchung bezw. Betrachtungen stellt der Ver-
fasser fest, dass, namentlich wegen der schablonenhaften Anwendung der ge-
setzlichen Bestimmungen auf das Verbrecherthum, welche den ausführenden
Polizeiorganen zur Last fällt, die verschiedenen Massregeln sich durchaus
ungenügend gegenüber unverbesserlichen Verbrechern erweisen, gegenüber
denjenigen Verbrechern, bei welchen eine Besserung nicht ausgeschlossen ist,
zum Theil schädlich seien, zum Theil nur in Verbindung mit einer umfas-
senden Fürsorge für die entlassenen Sträflinge und bei einer Handhabung
nutzbringend werden können, welche bei aller Energie gerecht und schonend
vorgehe, das Interesse des Einzelnen mit dem der Gesammtheit in Einklang
zu bringen wisse. Was speciell die Polizeiaufsicht der deutscheu Strafgesetze
anlangt, so ist der Verfasser der Ansicht, dass das ganze Institut, wie es sich
hier darstellt, sich nicht bewährt habe. Er führt das vor allem daraut zu-
rück, dass in den meisten Fällen die Polizeiaufsicht mit den das Verbrechen
sühnenden Strafen in einen Topf geworfen sei. Die Polizeiaufsicht werde
hierdurch ihrer eignen Natur entäussert und versage in den von ihr erwar-