Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

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Verhältniss der Super- und Subordination zwischen ihnen und der übrigen 
Christenheit bestand, um desswillen, weil sie „berufene Boten Jesu“ waren. 
Darum hat es seinen verständigen Grund, dass das Recht der kirchlichen 
Aemter stets von dem der Apostel abgeleitet worden ist, dasjenige des evan- 
gelischen Pastors wie dasjenige des katholischen Bischofs. Hat dieser sein 
Recht, weil er der Nachfolger der Apostel ist, so hat es jener, weil er sich 
zu ihrem Wort bekannt und ihm Gehorsam versprochen hat. 
Unzweifelhaft haben in allen diesen Verhältnissen nicht bloss äusser- 
liche Faktoren, z. B. der äusserliche Taufvollzug oder die einmalige, der 
Vergangenheit angehörende Beauftragung durch Jesus das Handeln der 
ersten Kirche bestimmt, sondern das äusserliche wurde mit dem innerlichen, 
der in die Vergangenheit fallende Akt mit der durch ihn eingeleiteten 
Lebensbewegung zusammengefasst. Der „Bruder“ begründete sein Anrecht 
an die Ekklesis nicht bloss dadurch, dass er getauft war, sondern auch da- 
durch, dass er wie ein „Bruder“ dachte und handelte, und der Apostel be- 
gründete seinen Anspruch an den Gehorsam der Gemeinden dadurch, dass 
er sich als der mit Geist und Kraft besonders begabte erwies. Wäre aber 
dadurch die Anwendung des Rechtsbegriffs unmöglich, so wäre das Recht 
auf die Handhabung einer grundlosen Form und gehaltlosen Formel reducirt, 
und das Sonm’sche Dogma müsste sofort dahin ausgedehnt werden, dass dem 
Staat, der Kultur, der Wissenschaft etc. das „Recht“ ebenso unerträglich sei, 
wie solches „Recht“ in der That der Kirche unerträglich ist. 
Da Soun in der ältesten Zeit gar kein Recht kennt, hat er mit be- 
sonderer Sorgfalt den Punkt beleuchtet, wo es nach seiner Meinung ent- 
springt: die Ordnung der Eucharistie wird zur Wurzel des Kirchenrechts 
und gestaltet die gesammte Organisation der Kirche. Dass die Sakramente 
in der Rechtsgeschichte fortwährend höchst wichtige Faktoren sind, liegt in 
der Natur der Sache, weil gerade sie das Geistige in eine That umsetzen, 
an die sich auch formelle Konsequenzen heften. Es ist aber eine Ueber- 
treibung, dass das ganze Kirchenrecht aus der Eucharistie herauswachse. 
Auch die Taufe hat sehr wichtige rechtliche Bildungen veranlasst, z. B. die 
Identifikation der Kirchgemeinde mit der ÖOrtseinwohnerschaft mittelst der 
Kindertaufe.. Und neben den Sakramenten sind das Lehrgeschäft und die 
Handhabung der als heilig geltenden ethischen Normen (Strafgewalt) und 
die sociale Aktion der Gemeinden, welche eine weitgehende Gemeinsamkeit 
in ihrem geistigen und materiellen Besitz erstrebte, ebenfalls die kräftigen 
Erzeuger rechtlicher Bildungen geworden. Es zeigt sich hier die Grenze, 
die der Dogmatiker selten vermeidet, wenn er Geschichte schreibt. Er 
schenkt seine Aufmerksamkeit nicht der Mannigfaltigkeit der Potenzen, 
deren gemeinsames Ergebniss die geschichtlichen Bildungen sind, sondern 
wird geneigt sein, dieselben aus „einem“ Princip zu erklären und derselben 
Regel zu unterwerfen. In Sonm’s Zeichnung des geschichtlichen Verlaufs ist 
unzweifelhaft fester Konnex, aber dieser ist fast monoton.
	        
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