Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

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bei Schriften, die sich an weitere Kreise wenden, immer wieder die unglaub- 
liche Vernachlässigung der Darstellungsweise gerügt werden. ScHLIEF be- 
kämpft mit guten Gründen die berüchtigten Aeusserungen TREITSCHKE’s über 
den sittlichen Werth des Krieges. Indessen soll man nicht übersehen, dass 
der Einfluss, den die Ideen TrEITScCHKE's in unserem geistigen Leben — ge- 
wiss nicht durchweg segensreich — ausüben, sich grossen Theils auf die 
Kunst einer manchmal geradezu verführerischen Darstellung gründet. Will 
man dagegen ankämpfen, so sorge man, dass die besseren Anschauungen 
nicht in so sehr viel schlechterer Rüstung erscheinen; sonst ist es ein Kampf 
mit ungleichen Waffen. 
ScHLIEF's Ausgangspunkt ist der unbefriedigende und mit unserer 
übrigen Kultur in auffälligem Widerspruche befindliche Zustand des prak- 
tischen Völkerrechts. Allerdings geht, der Verf. entschieden zu weit, wenn 
er eigentlich die Existenz eines Völkerrechts überhaupt für die Gegenwart 
nicht anerkennt, und besonders das sogen. Kriegsrecht verhöhnt. Er selbst 
zeigt ja an anderer Stelle Verständniss für die Thatsache, dass der Begriff 
des Rechts an sich nicht identisch ist mit seiner vollkommenen Erschei- 
nungsform; dass vielmehr schon in den Keimen und Anfängen der Entwick- 
lung dasselbe Wesen lebendig ist. Dass diese Anfänge hier noch überaus 
dürftige sind, ist gewiss richtig; und dass sie einer unvergleichlich weiteren 
und intensiveren Entwicklung nicht nur bedürftig, sondern auch fähig sind, 
legt ScHLiEF ausführlich dar. Seine Bekämpfung der Richtungen, die sich 
der Fortentwicklung des praktischen Völkerrechts entgegensetzen, indem 
sie den Krieg als „Element der göttlichen Weltordnung“ und als „positives 
Gut“ preisen, ist durchaus treffend, wie auch über den Zusammenhang der 
inneren Politik, besonders der Parteibildung, mit der völkerrechtlichen 
Sicherung des Friedens, und über die Wirksamkeit der heutigen Diplomatie 
sich manche gute Beobachtung und viel gesundes Urtheil zeigt. 
Mit Recht sieht ScaLier in der Solidarität der Kulturinteressen den 
wichtigsten Nährboden für die Fortbildung des internationalen Rechts; ja 
m. E. ist dieser Punkt im Verlauf des ganzen Werkes noch nicht scharf 
genug herausgearbeitet und die Bedeutung der internationalen Wirthschafts- 
beziehungen, dieser mächtigsten Triebkräfte internationaler Rechtsbildung, 
nicht genügend in den Vordergrund gestellt. Ganz folgerichtig beschränkt 
sich danach der Kreis der durch ein entwickelteres Völkerrecht einer „Fried- 
fertigung“ entgegenzufübrenden Nationen auf diejenigen, denen eine gleiche 
oder doch ähnliche Kultur gemeinsam ist. Dies Princip an sich ist klar und 
einfach; über die conerete Grenzziehung im Einzelnen lässt sich freilich 
streiten. — Dass es nun innerhalb dieses Kreises nicht etwa kurz und gut 
mit einem so vielgepriesenen Abrüstungsvertrage gethan wäre, ist unbestreit- 
bar; den politischen Dilettanten, die in einem solchen Vertrage die er- 
staunlich einfache Lösung des schweren Problems sehen wollen, hält ScHLIEF 
treffend entgegen, dass „eine solche Uebereinkunft, streng genommen, nichts
	        
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