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vindiciren. Gerade die Praxis des deutschen Reichsgerichtes
liefert höchst bedenkliche Beispiele für diese Neigung. Um so
begreiflicher ist diese Privatisirungstendenz in einer Zeit, welche
den Rechtsschutz für öffentliche Rechtsverhältnisse noch nicht
kannte oder nicht besass, und welche es als unbegreiflich empfin-
den musste, dass Rechtsverhältnisse, die auf ganz gleiche Art
begründet worden waren, wie Privatrechtsverhältnisse, den Schutz
der letzteren nicht erfahren sollten.
Das juristische Gefühl der damaligen Zeit musste sich da-
gegen sträuben, dass über dıe Frage nach dem Vorliegen eines
Vertrages, einer stifterischen Verfügung, einer condictio indebiti
Verwaltungsbeamte entscheiden sollten, auf Grund eines Ver-
fahrens, in welchem die Rechte einer Partei nicht zur vollen
Geltung gelangen konnten, und welchem das Beweismittel der
eidlichen Aussagen von Zeugen und des Parteieneides unbekannt
war. Sehr deutlich kommt diese letzte Erwägung zum Ausdruck
in dem österreichischen Hofdecret vom 21. Mai 1841 J.G.S.
No. 541, welches verordnet, dass der Streit, ob und unter welchen
Modalitäten Jemandem das Verleihungsrecht, betreffend eine
Stiftung zukomme, ein Streit, der sich auch zwischen dem
Prätendenten und der staatlichen Aufsichtsbehörde für Stiftungen
abspielen kann, durch den Civilrichter zu entscheiden sei, wenn
es auf gerichtsordnungsmässige Beweise ankomme.
Macht sich doch die Empfindung der Unzulähglichkeit des administra-
tiven Verfahrens für eine der Gerechtigkeit entsprechende Fest-
stellung des Thatbestandes selbst in behördlichen Entscheidungen
geltend. So entscheidet sich das österreichische Ministerium des
Innern gerade mit Berufung auf das angeführte Hofdecret da-
für, dass die Klage des Mauthpächters gegen den Pflichtigen auf
Zahlung der Mauthgebühren, welcher die Einwendung des pactum
de non petendo entgegengesetzt wird, vor den Civilrichter ge-
höre, mit der überaus weit gehenden Begründung, dass, wo es
auf gerichtsordnungsmässige Beweise ankomme, die Zuständig-