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welche für normgebende Entscheidungen oder Verfügungen der
entscheidenden oder verfügenden Behörde präjudiciell sind.
Auch diese relative Unwirksamkeit behördlicher Entscheid-
ungen und Verfügungen ist eine Folge der staatlichen Noth-
wendigkeit, die Erfüllung staatlicher Interessen dem Individual-
interesse der Rechtssicherheit des Individuums voranzusetzen.
Dieser Nothwendigkeit liesse sich deshalb nur auf Kosten des
Staates selbst ausweichen.
Am Allerwenigsten darf man davon ausgehen, dass man
mittels der Einführung von Vertretern des öffentlichen Interesse
als Parteien im Verwaltungsstreitverfahren die Nothwendigkeit
bloss relativer Wirkung behördlicher Entscheidungen und Ver-
fügungen zu beseitigen vermöge. Das ginge nur dann an, wenn
diese Vertreter oder die sie entsendende Behörde in der
Lage wäre, die zu entscheidende Sache unter dem Gesichts-
punkte aller gesetzlich zu wahrenden Interessen zu betrachten,
welche durch dieselbe berührt werden; wenn also diese Behörde
durch die Art ihrer Besetzung alle Ressorts zu vertreten im
Stande wäre, welche denkbarer Weise in die Lage kommen könnten,
zu der Sache Stellung zu nehmen. Aber weder existirt eine mit
solcher Vielseitigkeit ausgestattete Behörde, noch sind auch alle
Eventualitäten auszudenken, welche eine Befassung mit derselben
Sache vom Standpunkte noch irgend eines gesetzlich zu wahren-
den Interesse nöthig machen.
Auch die Forderung, dass jedes Ressort sich gebunden zu
erachten habe, an präjudicielle Entscheidungen eines andern
Ressorts, welches zu Entscheidungen mit dem Inhalte der prä-
judiciellen competent erklärt sei, darf als anerkannt durch das
positive Recht nur dann gelten, wenn sich diese Anerkennung
de lege lata überzeugend darthun lässt. Die Aufstellung eines
dahin lautenden allgemeinen Rechtssatzes muss selbst de lege
ferenda als bedenklich bezeichnet werden. Denn die Verschieden-
heit der staatlichen Zwecke erfordert auch Verschiedenheit der