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falls hervor, dass es nicht angeht, zu behaupten, die Zulass-
ung der beschränkten Haftpflicht habe auf die Entwickelung
des Genossenschaftswesens bisher einen nennenswerthen Einfluss
ausgeübt, der weitaus grösste Theil der mit beschränkter Haft-
pflicht begründeten Genossenschaften würde unter der unbeschränk-
ten Haftpflicht auch entstanden sein. Nicht die unbeschränkte
Haftpflicht hat die Ausbreitung des Genossenschaftswesens auf-
gehalten, sondern Momente, die in den wirthschaftlichen An-
schauungen unserer Zeit liegen.
Mit Prophezeihungen ist es eine üble Sache. Die Eiferer
für die beschränkte Haftpflicht, die sich fortdauernd der Er-
kenntniss der Entwickelungsgeschichte verschliessen, schreiben :
„Vielleicht dauert die nächste genossenschaftliche Reformperiode
wieder 20 Jahre. Wir sind keinen Augenblick im Zweifel, dass
sie mit der gänzlichen Beseitigung der wenn auch noch so sehr
gemilderten unbeschränkten Solidarhaft... abschliessen wird.
Damit würde die Bewegung auf ihren Ausgangspunkt zurück-
gekommen sein °!).‘“ — Die Behauptung ist ebenso unhaltbar wie
ihre Voraussetzungen nach den vorstehenden Darlegungen un-
richtig sind; das lange Festhalten an der unbeschränkten Haft-
pflicht hat nichts mit „doctrinären und fanatischen Rechtseinheit-
lern‘ — wie man heute ScahuLze-DeLrzch und seine Anhänger
bezeichnet — zu thun, das glauben wir in diesem Aufsatz nach-
gewiesen zu haben, nicht ‚doctrinäre“, Beweggründe waren ent-
scheidend, sondern praktische Erwägungen.
Für einen grossen Theil der Genossenschaften ist heute die
Zulassung der beschränkten Haftpflicht eine Nothwendigkeit ge-
worden und sie hat heute auch sicher nicht die Gefahren, die
vor 25 Jahren mit ihrer Einführung sehr wahrscheinlich verbunden
gewesen wären. Die Zeit war bisher überdies zu wirthschaftlichen
Experimenten nicht geeignet, es lag daher auch bis jetzt keine
61) „Der Handwerker“ No. 1 von 1898.