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Berechtigte auch das Recht hat, alle völkerrechtlichen Consequenzen
des Kriegszustandes und seiner Vorstadien zu ziehen, daher auch
alle auf den friedlichen Verkehr berechneten internationalen
Massregeln zu suspendiren.
Damit haben wir generell die rechtlich wesentliche Voraus-
setzung für alle Fälle legaler Ausserkraftsetzung solcher völkerrecht-
licher Verträge gewonnen, welche zu ihrer innerstaatlichen Giltig-
keit der Mitwirkung der verfassungsmässig berufenen gesetzgebenden
Körperschaften bedürfen. Ihr Kernpunkt liegt in dem formalen
Princip, dass innerhalb der Friedensordnung solche Verträge
nur dadurch ihrer rechtlichen Geltung verlustig werden können,
dass der aufhebende Rechtssatz auf demselben Wege ins objective
staatliche Recht eintritt, auf welchem die rechtsbegründende An-
ordnung zu Stande gekommen ist. Diese Beschränkung fällt
selbstverständlich bei denjenigen Verträgen weg, welche zur staats-
rechtlichen Giltigkeit die Beobachtung der Regeln von der for-
mellen Gesetzeskraft nicht fordern. Diese können in Friedens-
tagen, wie in den Tagen gestörten oder völlig aufgehobenen
Waltens der internationalen Friedensordnung durch das im Besitze
der völkerrechtlichen Repräsentativgewalt befindliche Organ ein-
seitig zeitlich oder für immer ausser Kraft gesetzt werden. Jene
durch dasselbe Organ ohne Mitwirkung der normalen Gesetzgeb-
ungsfactoren nur dann, wenn durch einen Act feindlichen Interessen-
gegensatzes eine Verletzung der diesseitigen Rechtssphäre statt-
gefunden hat, der Staat sich daher in den Zustand der Abwehr
versetzt sieht.
Mit dieser durch das Verfassungsrecht gebotenen Einschränk-
ung ist es daher durchaus zutreffend, wenn JELLINEk (a. a. 0.)
den Satz aufstellt: „Die Erlöschungsgründe eines Staatsvertrages
normirt ‚ausschliesslich das Völkerrecht.“ In der That, nicht das
innere Recht eines Gemeinwesens bietet den passenden Schlüssel
für die Beurtheilung des freundschaftlichen oder feindlichen Cha-
rakters einer vom fremden Staate ausgehenden Massregel; die der