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Ansprüchen ausgeschlossen ist. Das schiedsgerichtliche Verfahren
(kein eigentliches Verfahren im Sinne der Civilprocessordnung)
stellt sich im Verhältniss zu letzterem als ein wesentlich verein-
fachtes und ungleich freieres dar; die Formen sind leichtere, die
erschwerenden F'ormvorschriften (namentlich die Beweisregeln über
Urkunden und Eid) sind bei Seite gelassen. Ein Rundschreiben
des Reichsversicherungsamts vom 2. Juli 1887 enthält hierüber
die charakteristischen Sätze: „Es darf nicht ausser Augen ge-
lassen werden, dass das schiedsgerichtliche Verfahren, bestimnit
zur Entscheidung über die nicht nach privatrechtlichen Gesichts-
punkten zu beurtheilenden, sondern aus einer socialpolitischen
Fürsorgepflicht entspringenden, und durch das Gesetz mit Öffent-
lich-rechtlicher Natur und Gewähr ausgestatteten Unfallentschädi-
gungsansprüche, auf Ergründung materieller Wahrheit abzielt und
daher nicht bloss auf freier Würdigung des von den Parteien
beschaffenen Beweismaterials, sondern auch auf dem Rechte und
und der Pflicht freiester Berücksichtigung alles dessen beruht,
was zur thatsächlichen Aufklärung dienlich ist. Diesem obersten
Grundsatz gegenüber hat die Verordnung vom 2. Nov. 1885 nicht
die Bedeutung, erschöpfend alle im schiedsgerichtlichen Verfahren
möglichen Prozesshandlungen darzustellen und zu wumgrenzen,
vielmehr nur die praktisch häufigsten zu erwähnen und mit
bestimmten, gegen Missbrauch schützenden Formen zu umgeben.
Dabei ist aber den Schiedsgerichten bezüglich deren Vorsitzenden
ein weiter Spielraum gelassen, innerhalb dessen die Betheiligten
nach eigenem Ermessen die mannigfachen, durch keinerlei Vor-
schriften ungangbar gemachten Wege zu wählen haben, welche
zu einer sachgemässen Entscheidung führen®. —
Ueber die Organisation und die Entscheidungen der Schieds-
gerichte finden sich Bestimmungen im: Reichsgesetz betrefiend die
Unfallversicherung der Arbeiter vom 6. Juni 1884 (88 46—50,
62, 63), Reichsgesetz über die Ausdehnung der Unfall- und Kranken-
versicherung vom 28. Mai 1885 (88 5, 6, 10, 49—54, 67, 68),
Reichsgesetz über die Unfallversicherung der bei Bauten beschäf-
tigten Personen vom 11. Juli 1887 (85 35, 36, 38), land- und
forstwirthschaftliches Unfallversicherungsgesetz. vom 6. Mai 1886