Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

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der Gotteshausbund überhaupt keine gemeinsamen Rechtsquellen und im 
Zehngerichtenbunde fehlte es an einem gemeinsamen Bundesgericht. Die neu 
entdeckten „Landsatzungen“ desselben, welche aus dem Anfang des 18. Jahr- 
hunderts datiren, bieten das Beispiel einer „gemeinsamen“ Prozessordnung 
ohne einheitliche Gerichtsverfassung. 
Wie W. in der Einleitung zu den Quellen des Zehngerichtenbundes 
richtig anführt, hatte die Bundesgesetzgebung selbst absolute Gesetzeskraft 
nur soweit es sich um Angehörige verschiedener Gerichte handelte, während 
sie nur subsidiären Charakter in Anspruch nehmen konnte, soweit lediglich 
Gerichtsgenossen betheiligt waren. Für ersteres Verhältniss kommt an einer 
Stelle der Ausdruck vor: „wenn das Recht eintwederem Theil ungemein 
wäre“, d. h. wenn es sich um Streitigkeiten zwischen Angehörigen verschie- 
dener örtlicher Rechtsgebiete handelte ®). 
Auch liegt der Hauptzweck der vorliegenden Veröffentlichung nicht 
sowohl auf dem staatsrechtlichen als auf dem privatrechtlichen Gebiete, da 
dem Bedürfnisse in ersterer Beziehung durch die staatsgeschichtlichen Ar- 
beiten (vornehmlich JEckLin’s Urkunden z. Verfassungsgesch. Graubündens) 
entgegengekommen worden ist. 
So liegt denn das Schwergewicht des Interesses, welches uns die 
Sammlung darbietet, in dem Bild, welches sie uns von den privat-, straf- und 
processrechtlichen Gestaltungen eines von fremdländischem Einfluss wenig 
berührten, in einfachen ökonomischen Verhältnissen lebenden Volkes bis in 
eine Zeit hinein bietet, wo das Mittelalter in den meisten andern Staaten 
sich längst ausgelebt hatte. Ueber den rechts- und kulturhistorischen Werth 
der meisten dieser Aufzeichnungen kann nur die eigene Einsichtnahme unter- 
richten, und es wird sich Niemand enttäuscht von ihnen abwenden; auch 
mag z. B. das Urtheil angeführt werden, welches WAener in einem Briefe 
an A. HrvstLeR wenige Wochen vor seinem Tode in Bezug auf das Landbuch 
von Langwies aussprach, das er als ein kleines Meisterstück ländlicher Ge- 
setzgebung bezeichnete. „Kaum 300 Leute“, sagte er, „bilden jene Gemeinde 
noch heutzutage, und doch, wenn man dieses Landbuch vergleicht mit legis- 
tatorischen Produeten des 17. Jahrhunderts, die in grössern Gebieten oder 
©) Anders versteht W. die Formel: „wenn das urtheilende Gericht 
selbst Partei war“. — Das kann aus den Worten unmöglich herausgelesen 
werden. Der Bundesbrief spricht auch in erster Linie von Strafsachen 
„Manschlacht, Stechen, Schlagen oder andern grossen redlichen Sachen“. 
Die im Anhang. No. 8 und 9 abgedruckten, nicht oberrichterlichen Entschei- 
dungen des Bundesgerichts haben es allerdings mit Herrschaftsrechten zu 
thun. Die Annahme $. 16, das Bundesgericht habe es mit privatrechtlichen 
Streitigkeiten und gewöhnlichen Criminialfällen nicht zu thun gehabt, wider- 
spricht dem obangeführten.
	        
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