Full text: Archiv für öffentliches Recht.Neunter Band. (9)

— 598 — 
Freundschaften!®) einander dazu Stärke geben, damit sie in Gericht und Ge- 
walt die Oberhand gewinnen“. Nach demselben Gesetz bezieht „die Freund- 
schaft“ einen Theil der Busse, wenn ein Knabe oder Mädehen gegen den 
Willen seiner Eltern zum Eheabschluss verleitet worden; nach dem Statut 
von Obervaz vom Jahre 1584 ist, wer eine Jungfrau oder Wittwe schwächt, 
ihrer Freundschaft 15 Pfund verfallen und muss sich mit letzterer verstän- 
digen über den Unterhalt der Geschwächten. Nach spätern Quellen fällt 
jene Busse an die unterstützungspflichtige Gemeinde und so ist es noch heute 
in der Schweiz vielfach Rechtens. — Auch in Bezug auf Näherrecht, ja 
selbst im Schuldentrieb, ist der Verwandtschaft in weitem Umfang Rech- 
nung getragen. 
Nach den Statuten von Bergün muss noch im 17. Jahrhundert für die 
Gerichtskosten, den Schaden (darin waren insbesondere begriffen die Löhne 
des Landammanns, der Rechtsprecher, des Waibels u. s. w.), welche eines 
Todtschlägers wegen erwachsen waren, im Fall seiner Zahlungsunfähigkeit 
die ganze Gemeinde eintreten und einstehen, „damit keiner rechtlos sige 
und jetlicher des rechtens geniesse“. Andrerseits sieht, beiläufig bemerkt 
dieselbe Satzung vor, dass wegen Tödtung eines Fremden oder Landmannes, 
auch wenn „seine Freunde das Recht nicht anrufen“, doch „derselbig tod- 
schleger mit Recht fürgenommen“, d. h. von Amtswegen verfolgt werden 
soll, was als Neuerung gegenüber dem früher festgehaltenen Anklageprincip 
erscheint. Im Gesetzbuch für Ausserbelfort von 1697 wird mit Strafe be- 
droht, wer Jemand „sein Geschlecht verweysen oder aufheben thut“, d. h. 
einem Andern einen Vorwurf daraus macht, dass ein Glied von dessen Ver- 
wandschaft bestraft worden sei. 
Die Sprache der Rechtsquellen ist fast ausschliesslich die deutsche; 
der romanischen Idiome bedient man sich erst in neuerer Zeit als Schrift- 
sprache; früher hatte das Deutsche allein diesen Charakter. In den älteren 
Aufzeichnungen namentlich ist ein reicher Schatz von sprüchwörtlichen Rede- 
wendungen enthalten, die einen höchst originellen Charakter tragen, und eine 
wichtige Ergänzung der culturgeschichtlichen Darstellungen des mittelalterlichen 
Rechts abgeben würden. Erst gegen das 18. Jahrhundert treten fremd- 
sprachige Rechtsausdrücke auf, wie Scusionen, Testamente und testamentiren, 
Malefiz, eriminalisch, -Präscription, Prätensionen u. s. w. Unter Pacten 
sind meist solche Verabredungen verstanden, welche einen betrügerischen, 
unredlichen Charakter haben und den Wetten als unklagbar an die Seite 
gestellt werden. Von eigenthümlichen, in sonstigen deutschen und schweizer 
Quellen nicht leicht vorkommenden Ausdrücken mögen erwähnt sein: 
Landwere für Verjährung (sie beträgt durchweg 12 Jahre); „„schgüsse“ 
(für Excusation) für Entschuldigung wegen Säumniss, Gottsgewalt für 
10) D. h. Verwandtschaften, Geschlechter.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.