— 621 —
Hierauf macht natürlich auch der Verfasser aufmerksam (S. 9), aber auen
verstecktere Vergleiche und Unterschiede hebt er hervor, indem er (Theil I,
insbes. 8 2 S. 22ff. und $ 5 S. 157ff.) namentlich aufs sorgfältigste prüft, ob
der einzelne Rechtssatz für alle oder nur für einzelne Religionsgemeinschaften,
für alle Unterthanen oder nur für die Staatsangehörigen, für beide Arten des
Austrittes oder nur für die eine gelte und ob er sowohl bürgerliche wie
kirchliche Wirkungen äussere; nach Erforderniss des Einzelfalles wird so-
dann der Rechtscharakter des einzelnen Satzes (Gesetz, landesherrliche oder
kirchenbehördliche Verordnung, Gewohnheitsrecht, kirchliche Praxis) betont,
namentlich im Verhältniss mehrerer Rechtsquellen zu einander, und das Ver-
hältniss jüngerer Normen zu älteren für denselben Bundesstaat ergangenen
geprüft, während allerdings die naheliegende Frage nach der Collision der
Rechtsnormen verschiedener Staaten nur ein einziges Mal (S. 240f.) ge-
prüft wird.
Infolge der sorgfältigen Untersuchung jener Grundlagen (in $ 2: die
Gesetzgebung der deutschen Einzelstaaten und in $ 5: die Form des Aus-
tritts) gewinnen natürlich die eigenen Abstraktionen ScHMiDT's aus
dem von ihm gesammelten und gesichteten Quellenmaterial ganz wesent-
lich an Sicherheit und Zuverlässigkeite In $ 1 (der „Austritt aus der
Kirche“ im Allgemeinen; seine Regelung durch Staatsgesetze) wählt ScHMIDT
sehr richtig als Ausgangspunkt den Gegensatz der katholischen Auffassung
einerseits, wonach ein Austritt aus der allein selig machenden Kirche
principiell undenkbar ist, und der evangelischen sowie modernen Staats-
auffassung andererseits, wonach gegenseitige Duldung der Confessionen,
religiöse Freiheit und Unabhängigkeit der bürgerlichen und staatsbürger-
lichen Rechte von Glaubensbekenntnissen besteht; nachdem alsdann in der
schon oben bemerkten Weise der Begriff des Austrittes abgegrenzt und
die Stellungnahme der Einzelquellen zu der Grundfrage erörtert worden ist,
wird schliesslich im Einklange mit der herrschenden Lehre betont, dass nicht
nur das Bundesgesetz vom 3. Juli 1869, sondern auch die einzelstaatliche
Anschauung auf dem Boden unbeschränkter Austrittsmöglichkeit (beiderlei
Art) stehe, und erörtert, weshalb der Staat dennoch Formvorschriften auf-
stellen dürfe. In 83 werden die Vorbedingungen des Austrittes, geistige
Gesundheit, Freiheit des Willensentschlusses und vor Allem und in erster
Linie das Discretionsalter besprochen, wobei SCHMIDT nach einem histori-
schen Rückblick auf die Entstehung dieses Erfordernisses ein zu Gunsten des
vollendeten 14. Lebensjahres als des annus discretionis geltendes Gewohnheits-
recht bestreitet, jedoch andererseits in einer Uebersicht über den Stand der
positiven einzelstaatlichen Normirung feststellt, dass diese allerdings unter der
Führung des preussischen Landrechts im Wesentlichen für jene Altersstufe aus-
gefallen sei, mehrfach aber auch Vollendung des 16. bezw. 18. bezw. 21. Lebens-
jahres erheische oder ein doppeltes Discretionsalter (für Austritt mit Confessions-
wechsel und mit Dissidentenstellung) fixirt habe. In 8 4 fasst sich ScHmipr