Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zehnter Band. (10)

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messen trat in der krassesten Weise durch die nunmehr der obrigkeitlichen 
Aufsicht unterstellten Fabrikordnungen hervor, in denen es, wie unser Autor 
berichtet (S. 17) und wie männiglich bekannt, „thatsächlich sehr üblich ist 
(war) eine ungleiche Rechtslage der Contrahenten bezüglich der Kündigungs- 
fristen“ festzusetzen. „Diese ist auf Seiten des Unternehmers meist eine sehr 
kurze, häufig sogar eine eintägige, während der Arbeiter, um das eingegangene 
Verhältniss lösen zu können, vielfach an eine mehrwöchentliche Kündigungs- 
frist gebunden ist.“ Die Novelle zur Gewerbeordnung vom 1. Juni 1891 hat 
diesem Unwesen ein Ende gemacht: als Norm ist l4tägige Frist aufgestellt, 
andere können vereinbart werden, müssen aber für beide Theile gleich sein. 
Es ist meines Wissens nicht bekannt geworden, welche Folgen diese Be- 
stimmung seither gehabt hat. Vermuthlich wird die Kündigung nunmehr 
für die Unternehmer ihren praktischen Werth verloren haben und dies in 
Abmachung immer kürzerer Fristen zum Ausdrucke kommen. Der Herr 
Verfasser thut den Vorschlag der allgemeinen Aufhebung (S. 117f.) mit einigen 
Redewendungen ab, die in das Innere der Frage nicht eindringen; er bezieht 
sich hier weder auf die begriffliche Natur des Arbeitvertrages noch auf die 
„ungleiche Rechtslage“, deren Beseitigung die nächste Aufgabe war. Dass 
der Kern des Problemes nur durch diese entschiedene Neuerung getroffen 
wird, musste ihm entgehen, weil seine theoretischen Fundamente zu schwach 
gelegt waren. Es findet aber in der socialen Wirklichkeit etwas statt, was 
durch dieH Eezr’sche Formel gedeckt wird, dass die Begriffe ihr Wesen selber 
durchsetzen. So wird auch die gesetzliche Forderung gleicher Kündigungs- 
fristen nur einen Uebergang zu ihrer rechtlichen Abolition darstellen; die 
nicht zu verhindern braucht, dass sie als gute Sitte fortbestehen. 
2. Meine zweite Anmerkung kann ich in Kürze erledigen. Der Verfasser 
unterscheidet und kritisirt die juristischen und die socielpolitischen Gründe 
für oder wider Bestrafung des Contractbruches. Bezeichnend für die jetzt 
herrschenden Gewohnheiten des Denkens ist dabei die Sicherheit, womit er 
den Satz aufstellt und durch einen Ausspruch SCHMOLLER's bekräftigt, dass 
die eigentliche Entscheidung nicht vom juristischen, sondern vom volks- 
wirthschaftlichen und politischen Standpunkte aus zu erfolgen habe. Dies 
scheint zu bedeuten: ob gerecht oder nicht; wenn es nur „nützlich“ (oder 
„zweckmässig“) ist. Der Verfasser meint es aber gar nicht so schlimm. Die 
die Socialdemokratie zur Umgestaltung der gesammten Productions- und 
Wirthschaftsverhältnisse in ihrem Sinne, zu gelangen hofft.“ Ganz richtig 
gedacht. So lange als ein Miethvertrag vorliegt, ist Gleichberechtigung nicht 
möglich. Der Arbeitsvertrag ist aber nicht nothwendigerweise ein Mieth- 
vertrag. Ihm wesentlich ist nur die Unterordnung unter den cooperativer 
-Process, die für den Unternehmer, sofern er irgend eine Thätigkeit in 
„seiner“ Arbeitsanstalv vollzieht, eben so nothwendig ist, wie für den Ar- 
beiter.
	        
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