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minister Dr. Frhr. v. RiepeL im Jahre 1889 in der Kammer
der Abgeordneten in Beziehung auf die in & 58 des Religions-
ediktes erwähnten älteren Generalmandate?® aussprach: „Darauf,
welche Auffassungen in früheren Jahrhunderten über das placetum
regium in Bayern bestanden, kann es angesichts des klaren Wort-
lautes der Verfassung nicht ankommen“?®, Das rechtlich noth-
wendige Korrelat zu der in unserer Verfassung öffentlich aner-
kannten Stellung der christlichen Kirchen? bilden die Kirchen-
hoheitsrechte?®!. Wenn der bayerische Staat in einem einzelnen
Falle auf sein Recht, die Einholung des Placet zu verlangen, ver-
zichtet, so verzichtet er auf eine bestimmte Form der Ausübung
eines Kirchenhoheitsrechtes und zwar gerade auf diejenige, die im
Gesetze niedergelegt ist; er verzichtet auf sie, ohne dass eine
andere Form der Ausübung dieses Kirchenhoheitsrechtes an die
Stelle treten kann, weil eben eine andere im Gesetze nicht ent-
halten ist®. Die Einrichtung des placetum regium überhaupt
könnte der bayerische Staat zweifellos im Wege der Verfassungs-
änderung aufheben, damit hätte er aber keineswegs auf seine
Kirchenhoheitsrechte und insbesondere”nicht auf das Recht der
?® Hinsichtlich deren Fortgeltung im Laufe dieser Darstellung allerdings
eine andere Ansicht geäussert wird.
® Sten. Ber. IV, 8. 165, Sp.1.
% Sie sind keine gewöhnlichen Vereine mit vermögensrechtlicher Per-
sönlichkeit: ihre Geistlichen gelten als Öffentliche Diener, ihr Eigenthum
steht unter dem besonderen Schutze des Staates ($S 29—31, II. Verfassungs-
Beilage), ihre Festtagsordnung ist in das Rechtsleben des Staates auf-
genommen, sie geniessen einen besonderen strafrechtlichen und einen beson-
deren administrativrechtlichen Schutz, sie erhalten Dotationen aus Staats-
mitteln (vgl. insbes. Art. III, Abs. 4, IV, V, VI, VII des Konkordates),
haben zum Theil Anspruch auf eine besondere Vertretung im Landtage etc.
%1 Diese Beziehung‘ wird von den Kirchenoberen in ihren Forderungen
stets ausser Acht gelassen, vgl. das Verlangen der im Jahre 1848 vom Erz-
bischofe von Köln dort versammelten Bischöfe: keine Trennung von Staat
und Kirche, aber keine Kirchenhoheitsrechte mehr.
32 Vgl. die Rede des Staatsministers Dr. von Lutz in der Kammer der
Abgeordneten, Sten. Ber. 1871/72 I, 8. 402, Sp. 2.