Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zehnter Band. (10)

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Indem die Staatsregierung im Jahre 1889 auf die historisch 
gerechtfertigte, mit der Verfassung jedoch in Widerspruch stehende 
Auffassung des placetum regium zurückgriff®%, hat sie Konse- 
quenzen Thür und Thor geöffnet, die naturgemäss in keinem 
anderen Verhältnisse zum Verfassungsrechte stehen, als jene Auf- 
fassung selbst. 
Eine innerhalb der Schranken der Verfassung sich bewegende, 
an die Vorlage des Kapitularvikariates München-Freysing an- 
knüpfende Schlussfolgerung der Staatsregierung musste lauten: 
Durch Publikation und Exequirung der vatikanischen Beschlüsse 
ohne Einholung des Placet bezw. trotz‘! verweigerten Placets 
hat die Kirchengewalt die Grenzen ihres eigentlichen Wirkungs- 
kreises überschritten, die Verfassung verletzt, ihren Rechtsanspruch 
auf den weltlichen Arm verloren, der Schutz der Staatsgewalt 
darf ihr versagt werden, d. h. wenn keine sonstigen Hindernisse 
bestünden, er darf ihr gewährt werden. 8 58 des Religionsediktes 
steht nicht entgegen, denn die Gesetze, gegen deren Verletzung 
der Schutz gewährt werden soll, sind ja nicht die vatikanischen 
Dekrete. Es liegt also im Falle der Gewährung des Schutzes 
© Vgl. insbesondere die Aeusserung des Staatsministers Freiherrn 
VON ÜRAILSHEIM in der Kammer der Reichsräthe, Prot. Bd. III, S. 332ff.: 
„Will eine kirchliche Behörde sich für einen ihrer Erlasse die Hilfe des 
weltlichen Armes sichern, so hat sie um das Placet einzukommen. Unter- 
lässt sie dieses oder wird das Placet verweigert, so ist die Staatsgewalt be- 
rechtigt, den weltlichen Arm vorzuenthalten und dem betreffenden kirch- 
lichen Erlasse eine Wirkung auf staatlichen Gebiete zu versagen“. Damit 
ist deutlich gesagt, die Einholung des Placet sei ein Gesuch um den welt- 
lichen Arm. Dem Vaticanum ist z. B das Placet nie ertheilt worden, also 
war die Staategewalt berechtigt, diesem kirchlichen Erlasse eine Wirkung 
auf staatlicbem Gebiete zu versagen, sie war berechtigt, die Altkatholiken 
als eine von der katholischen Kirche nicht verschiedene Religionsgesellschaft 
zu behandeln; verpflichtet hiezu war sie jedoch nicht, wenn wir diese 
Auffassung konsequent verfolgen, vgl. oben S. 214 Anm. 59. Vgl. ferner die 
oben 8. 212 angeführten Worte des Staatsministers Dr. Freiherrn von Lutz: 
„Dann werden wir weiters sehen, was unseres Amtes ıet. 
61 Seitens des Erzbischofs von Bamberg.
	        
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