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Leitung der Verhandlung, die Aufrechterhaltung der Ordnung in
den Sitzungen?® sind aber gleichzeitig vorwaltende Thätigkeiten
und dass nicht jeder Richter die zu ihnen erforderlichen Eigen-
schaften besitzt, beweist der Umstand, dass es viele tüchtige
Richter gibt, denen die Fähigkeit, eine Verhandlung zu leiten,
mangelt. Dem Präsidenten erwächst ausserdem die Aufgabe, in
seiner Thätigkeit als Vorsitzender sich ein Urtheil über die Fähig-
keiten der seiner Aufsicht unterstellten Richter zu bilden, ein
Umstand, der bei Berathung des Gerichtsverfassungsgesetzes seitens
der Vertreter der verbündeten Regierungen ausdrücklich hervor-
gehoben ist?*. Aus diesen Gründen hatten die letzteren noch
gegenüber den Kommissionsbeschlüssen die Anforderung gestellt,
die Bestimmung des Vorsitzenden für die einzelnen Kammern der
Landesjustizverwaltung zu überlassen; man erachtete indessen die
richterliche Stellung des Vorsitzenden für zu überwiegend, als dass
bezüglich seiner Person auf diejenigen Garantieen Verzicht ge-
leistet werden könne, die man bei der Auswahl der Beisitzer für
erforderlich erachtet habe; der einfache Wechsel des Vorsitzes
durch Verfügung der Justizverwaltung sei der bedenklichste
Punkt?’, durch den sogar die Annahmefähigkeit der Reichsjustiz-
gesetze in Zweifel gestellt werde °*®.
Die Motive des Entwurfs geben keine Gründe an, wesshalb
die Vertheilung der Vorsitzenden durch Kollegialbeschluss un-
thunlich sein sollte; der Umstand, dass die Zuständigkeit der
Landesjustizverwaltung die Konsequenz der die Mitgliederverthei-
lung betreffenden Vorschriften des Entwurfs ist, erscheint, nach-
dem die Unannehmbarkeit der letzteren erwiesen ist, bedeutungslos.
Als richterliche Mitglieder des Kollegiums findet auf die
Vorsitzenden alles dasjenige Anwendung, was bezüglich der übrigen
25 Vgl. $ 177 G.-V.-G.
® Vgl. oben 8. 219.
3” GnEIST bei Hann a. a. O. S. 1044.
28 LAsSKER 8. 1043 daselbst.