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werden könne. Im Kampfe der divergirenden Ansichten schei-
terte das geplante erste Vereinsgesetz, charakteristisch für die
damalige Anschauung ist der Standpunkt LAskKeEr’s, dass man in
der Freigebung der Koalitionsbefugnisse genug gethan habe, ein
natürliches Recht auf korporative Gestaltung aber nicht anzu-
erkennen sei und man gegen die öffentlichen Interessen handle,
wenn man dieses Recht z. B. solchen Vereinen gewähren wolle,
„welche ausgesprochenermassen den Zweck haben, den Krieg
zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu organisiren“ ?.
Nach diesen vergeblichen Versuchen besteht also zur Zeit
in Deutschland kein einheitliches Vereins- und Versammlungsrecht.
Die Reichsgesetze enthalten nur die im Folgenden zusammen-
gestellten einzelnen Bestimmungen über das Vereins- und Ver-
sammlungsrecht:
1. Nach dem durch Art. 68 R.-V. für Deutschland, mit Aus-
nahme von Baiern (Bündnissvertrag vom 23. Nov. 1870) gültigen
Bestimmungen des Preussischen Gesetzes vom 4. Juni 1851 (Ges.-
Sammlung S. 451) können, wenn die öffentliche Sicherheit in dem
Bundesgebiete bedroht ist, durch die bei Trommel- und Trom-
petenschall zu verkündende, und ausserdem durch Mittheilung an
die Gemeindebehörde und durch öffentliche Blätter ohne Verzug
zur allgemeinen Kenntniss zu bringenden Erklärung des Be-
lagerungszustandes ($$ 3 u. 5) die Bestimmungen der Vereins-
gesetze zeit- und distriktweise ausser Kraft gesetzt werden ($ 5).
2, Durch das Reichsstrafgesetzbuch wird bedroht:
a) Wer öffentlich vor einer Menschenmenge .. .. zum Un-
gehorsam gegen Gesetze (auch bürgerliche Gesetze, R.-G. 20,
S. 63 und 105) oder rechtsgültige Verordnungen oder gegen die
von der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen An-
ordnungen auffordert (8 110);
2 S. W. KuLemann, Die Sozialdemokratie und deren Bekämpfung. Berlin,
1890, 8. 219.