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können sich, ohne besondere Erlaubniss, friedlich und ohne Waffen
versammeln. Die polizeilichen Vorschriften beziehen sich vor Allem
auf die Versammlungen im Freien. Solange der Landtag zu-
sammen ist, gilt das Verbot der Volksversammlungen innerhalb
der sechsstündigen Entfernung. Weiter können Versammlungen
unter freiem Himmel bei dringender Gefahr für öffentliche Ord-
nung und Sicherheit durch schriftlichen Erlass der Distriktsver-
waltungsbehörde verboten worden. Eine Genehmigung Seitens
der Uebernehmer, Leiter und Ordner ist zu Versammlungen auf
öffentlichen Plätzen und ‚Strassen, sowie zu Aufzügen bei der Ge-
meindebehörde einzuholen. Alle Einladungen zu solchen Versamm-
lungen in öffentlichen Blättern, Anschlägen oder durch Druck
müssen die Unterschrift der Veranstalter tragen. Die Leiter einer
Versammlung haben für Aufrechthaltung der Ordnung und des
Gesetzes zu sorgen, bei dessen Verletzung den Rednern das Wort
zu entziehen, nöthigenfalls die Versammlung aufzuheben. Der
Polizei steht ein Ueberwachungsrecht zu. Sie kann bei Auf-
forderungen zu Gesetzesverletzungen die Schliessung der Versamm-
lung durch Ordner und Leiter verlangen, bei Weigerung selbst
auflösen, nöthigenfalls nach wiederholter Aufforderung durch Zwang.
Eine gesetzliche Regelung des Einschreitens durch die bewaffnete
Macht bei Volksbewegungen enthält das Gesetz vom 4. Mai 1851,
im Wesentlichen mit dem preussischen übereinstimmend. Die
äusserste Massregel ist die Verhängung des Standrechtes (Bünd-
nissvertrag mit Baiern vom 23. Nov. 1870, Abschn. IV, 85
Ziff. VD°®.
3. In Württemberg ist das Vereins- und Versammlungs-
recht in der Verfassung nicht erwähnt, auch fehlt es zur Zeit an
einer genauen gesetzlichen Regelung. Das Gesetz vom 2. April
1848 über die Volksversammlungen beschränkt sich darauf, die
5® Eine ausführliche Darstellung des bayerischen Vereins- und Ver-
sammlungsrechtes s. Handbuch des öffentlichen Rechtes: SEYDEL, Das Staats-
recht des Königreichs Baiern, S. 243—247.