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4) Das Kgl. Sächsische Vereinsgesetz vom 22. Nov. 1850
(Ausf.-V.-O. vom 23. Nov. 1850 und V.-O. vom 22. Aug. 1874)
giebt alle friedlichen Versammlungen und Veranstaltungen frei.
Die Zusammenberufung von Versammlungen zur Erörterung öffent-
licher Angelegenheit unterliegt der vorherigen Anzeigepflicht (min-
destens 24 Stunden vor dem Zusammentritt). Die Befugniss zur
Berufung setzt Dispositionsfähigkeit und den Vollbesitz der politi-
schen Ehrenrechte voraus. Jeder Versammlung muss wenigstens
ein Ordner oder Leiter vorstehen (Wahl oder Vorausbestellung).
Der Polizei steht ein Ueberwachungsrecht (wie in Preussen) zu.
Untersagt sind Anträge u. s. w., welche dem Strafgesetze wider-
sprechen oder eine Aufforderung (Anregung) zu Gesetzesüber-
tretungen oder unsittlichen Handlungen enthalten (Art. 8). Wird
in solchen Fällen der Ordnungsruf der Veranstalter, Ordner oder
Leiter unterlassen oder nicht befolgt, so hat der überwachende
Polizeibeamte das Recht, dem Redner das Wort zu entziehen,
und bei Nichtbefolgung die Versammlung aufzulösen und zu
schliessen (Art. 9, 10).
Versammlungen, Umzüge und Festlichkeiten auf öffentlichen
Plätzen und Strassen bedürfen der vorgängigen Genehmigung, für
deren Einholung die Unternehmer, Vorsteher, Ordner und Leiter
haftbar (8 13). Versammlungen ist nicht gestattet, Adressen oder
Petitionen in Masse oder durch Abordnung von mehr als zehn Per-
sonen zu überbringen (8 14). Während des Landtages dürfen inner-
‚halb zweier Meilen vom Sitze Versammlungen zur Erörterung öffent-
licher Angelegenheiten unter freiem Himmel nicht stattfinden ($ 15).
Die Bildung von Vereinen ist frei ($ 18). Jeder Verein,
dessen Zweck sich auf öffentliche Angelegenheiten bezieht, soll
Statuten entwerfen.. Dem Vorstande ist eine Anmeldepflicht
(Namen des Vereins, Vorsteher und Beamte, Zweck) auferlegt
($ 19). Verboten sind Vereine mit ungesetzlichen und unsitt-
lichen Tendenzen. Jene politischen Vereine müssen, falls nicht
die Zusammenkünfte im Voraus festgesetzt sind, jede Zusammen-