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die beiden Seiten seines Gegenstandes, die staatsrechtliche und völkerrecht-
liche, hinlänglich scharf von einander zu sondern.
In einer Einleitung behandelt er „das Recht des Aufenthaltes und der
Auswanderung der Staatsbürger“, um hierbei in einer etwas oberflächlichen
und stark anfechtbaren Weise den offenbar richtigen Grundsatz zu entwickeln,
dass die in verschiedenen Staaten übliche oder doch zulässige „Landesver-
weisung der eigenen Bürger“ nicht zu billigen ist. Im Anschlusse an diese
Einleitung wird dann zunächst eine Eintheilung der Fremden gegeben: in
solche, welche sich im Auslande gegen das gemeine Recht vergangen haben;
in mittellose, welche zum Lebensunterhalte einer öffentlichen Unterstützung
bedürfen; und in politische Flüchtlinge, denen ein besonderes Kapitel ge-
widmet wird, in welchem der Verfasser darlegt, dass ein gemeines Verbrechen
nicht schon zu einem politischen wird, wenn es etwa einen nebenhergehenden
politischen Anstrich aufweist, und dass als politischer Verbrecher nur Der-
jenige anzusehen sei, welcher sich lediglich gegen die besondere Art einer
konkreten Staatsordnung wendet und diese durch eine Ordnung ersetzen will,
wie sie schon anderwärts praktisch sich durchgeführt findet
oder doch finden kann, nicht aber Derjenige, „dessen Handlungen sich
gegen die allen Kulturstaaten gleichmässig zu Grunde liegende gesell-
schaftliche Ordnung oder gegen jede Ordnung schlechthin kehren“.
Ganz abgesehen davon, dass diese Gesichtspunkte doch wohl mancherlei
Einwänden ausgesetzt sein dürften, wird dabei Ein Unterschied, nämlich der-
jenige zwischen „Fremden, welche nur Nichtbürger eines konkreten Staates
sind“, und solchen, welche Bürger eines anderen Staates sind, ganz ausser
Acht gelassen, was um so auffälliger ist, als dieser Unterschied, wenn auch
praktisch vielleicht nicht sehr bedeutend, doch für die Theorie vornehmlich
wichtig erscheint, und als auf der Hand liegt, dass die Verhältnisse der erst-
gedachten Art von Fremden lediglich durch das „Staatsrecht“, im engeren
Sinne, und nur diejenigen der zweiten Art nach den „völkerrechtlichen“ Ge-
sichtspunkten zu beurtheilen sind, auf welche der Verfasser, wie sogleich
gezeigt werden soll, ein so ausschlaggebendes Gewicht legt, dass man darauf-
hin bei den „Fremden“, die er in’s Auge fasst, ausschliesslich an solche
Personen zu denken hat, welche das Bürgerrecht eines anderen Staates
besitzen. —
Das Recht derselben wird dann dahin präzisirt, dass jeder Staat jeden
Fremden — soweit er nicht gefährlich oder mittellos ist — also auch alle
politischen Flüchtlinge — und zwar die letzteren, soweit sie dem Aufnahme-
staate nicht lästig werden — bei sich aufzunehmen bezw. zu dulden hat.
Bei der Vertretung dieser Theorie, deren materielle Berechtigung hier
nicht näher zu prüfen ist, wendet sich nun der Verfasser mit grossem Nach-
drucke gegen die „alte Schule“, welche jedem Staate, auf Grund seiner Nou-
veränität, anheimgegeben habe, Zulassung und Duldung wie der Fremden
überhaupt, so auch der politischen Flüchtlinge, nach eigenem Gutdünken zu