Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zehnter Band. (10)

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behörde den staatsanwaltschaftlichen Beamten ernennt ($ 85). 
Derselbe hat allerdings, bevor es zur Verhandlung vor der Dis- 
ziplinarkammer kommt, eine „ÄAnschuldigungsschrift“ einzureichen 
(8 101), aber dieselbe hat nur die gleiche Bedeutung, wie die An- 
klageschrift im Falle des $ 206 der Str.-Pr.-O.: die Verweisung 
der Sache vor die Disziplinarkammer ist (von der obersten Reichs- 
behörde) bereits beschlossen. 
(Genau das entgegengesetzte Bild bietet das ehrengerichtliche 
Verfahren gegen Rechtsanwälte. Der Vorstand der Anwalts- 
kammer, der den zur Anwaltskammer gehörigen Anwälten gegen- 
über (vgl. z. B. 8 58 der R.-A.-O.) eine ähnliche Stellung ein- 
nimmt, wie die Aufsichtsinstanz zu ihren unterstellten Beamten, 
hat keine besondere Einwirkungsmöglichkeit hinsichtlich Einleitung 
und Fortgang des Verfahrens. Es gilt voll und ganz das An- 
klagemonopol der Staatsanwaltschaft (88 66, 92 der R.-A.-O., 
88 151, 152 der Str.-Pr.-O.). 
Keinem der beiden Systeme folgt das Gewerbegerichtsgesetz: 
dem ersteren nicht, denn die Klage „wird von der Staatsanwalt- 
schaft erhoben“; dem letzteren nicht, denn sie wird nur „auf An- 
trag der höheren Verwaltungsbehörde erhoben“, d. h. sie kann 
nicht ohne diesen „Antrag“ anhängig gemacht werden. 
Der Antrag hat also in der Hauptsache eine negative Be- 
deutung. Sprachlich liesse allerdings der Gesetzestext die Aus- 
legung zu, der „Antrag“ der höheren Verwaltungsbehörde zwinge 
die Staatsanwaltschaft zur Klagerhebung („wird erhoben“) unter 
Ausschluss jedweder Prüfung, also z. B. auch derjenigen, ob eine 
grobe Pflichtverletzung gegeben ist; aber es ist leicht einzusehen, 
dass dies nicht gemeint ist. Was hätte es für einen Sinn, die 
Klagerhebung einer der Aufsichtsinstanz nicht unterstellten Be- 
hörde zuzuweisen und sie doch durch jene zur Klagerhebung un- 
bedingt zu zwingen? Wollte ınan einen derartigen Zweck erreichen, 
so lag doch nichts näher als, dem Reichsbeamtengesetz folgend, 
die Prozesseinleitung unmittelbar der Aufsichtsbehörde zu über-
	        
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