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dehnend zu interpretiren und unter dessen Ausnahmsbestimmungen
auch das Verfassungsänderungsverbot mit einzubeziehen.
Anders ist es aber, wenn man die Ansicht des Staatsrathes
mit jener des Königs identificirt. In diesem Falle kann die ratio
des 8 18 nicht herangezogen werden, weil ja feststeht, dass der
Gesetzgeber ein Verfassungsänderungsverbot schaffen wollte.
Der weitere Grund, der gegen die Annahme eines Verfassungs-
änderungsverbots zeugt, ist der von Prof. KOHLER in seiner oben
erwähnten Abhandlung”? geltend gemachte, welcher dahin geht,
dass eine Interpretation nur ein rechtlich wirksames Resultat er-
zielen darf. Der Nachweis eines in der bayerischen Verfassungs-
urkunde ausgesprochenen Verfassungsänderungsverbots lässt sich,
wie oben dargethan wurde, mangels ausdrücklicher Bestimmungen
nur durch Interpretation liefern. Nun ist aber bekannter-
massen der Gesetzgeber an ein Verfassungsänderungsverbot nicht
gebunden, ein derartiges Verbot ist nicht rechtsverbindlich. Da
man nun aber dem Gesetzgeber nicht zumuthen darf, dass er eine
rechtsunwirksame Vorschrift habe erlassen wollen, so muss eine
Interpretation, welche zu dem Ergebniss führen würde, dass die
Verfassung während der Regentschaft nicht geändert werden dürfe,
abgelehnt werden.
Diese Argumentation trifft jedoch nur für den Fall zu, wenn
man annimmt, dass der König mit der Anschauung seines Staats-
rathes nicht einverstanden war. War er dagegen einverstanden,
dann steht fest, dass der Gesetzgeber thatsächlich die Absicht
hatte, die Abänderung der Verfassung zu verbieten. Er hat dann
in Wirklichkeit ein rechtlich unwirksames Gesetz schaffen wollen.
Mithin sind die Ausführungen KoHLEr’s nur zum Theil
richtig, sie sind richtig nur dann, wenn der König den auf die
Verfassungsänderung bezüglichen Inhalt des Protokolles nicht ge-
billigt hat. —
”ı cf. 1. Kapitel, 8. 5f.