Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zehnter Band. (10)

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Schiedsgerichten (R.-G.-Bl. S. 193). In der letztgenannten ist 
der Gedanke der Sachfeststellung von Amtswegen erst mit 
rechter Deutlichkeit ausgesprochen (Amtliche Nachrichten, Inv.- 
u. A.-V., 1893 No. 257 Abs. 3). In den früheren Bestimmungen 
fehlte eine Norm ganz, wie sie 8 16 Abs. 11. c. enthält: „das 
Gericht hat den nach seinem Ermessen zur Klarstel- 
lung des Sachverhalts erforderlichen Beweis in vollem 
Umfange zu erheben, ohne Rücksicht darauf, ob dieser 
Beweis von den Parteien angetreten ist oder nicht.“ 
Der ‚Unterschied ist indess nur ein scheinbarer: die Praxis gleicht 
ihn aus. Auch in Unfallsachen machen die Schiedsgerichte aus- 
giebigen Gebrauch von selbständigen Beweisanordnungen. Dem 
Reichsversicherungsamte gebührt ein wesentliches Verdienst an 
dieser Entwicklung, bei der die Sache in den Vordergrund ge- 
treten und die Form zurückgedrängt ist. Es sind goldene Worte, 
die sich in seinem Rundschreiben vom 2. Juli 1887 an die Schieds- 
gerichtsvorsitzenden befinden und die davor warnen, dem Renten- 
prozesse Fesseln in Bezug auf die Art der Beweisaufnahme 
anzulegen: 
„Es darf... nicht ausser Acht gelassen werden, dass 
das schiedsgerichtliche Verfahren, bestimmt zur Entscheidung 
über die, nicht nach privatrechtlichen Gesichtspunkten zu be- 
urtheilenden, sondern aus einer sozialpolitischen Fürsorgepflicht 
entspringenden, durch das Gesetz mit öffentlich-rechtlicher Natur 
und Gewähr ausgestatteter Unfallentschädigungsansprüche, auf 
Ergründung materieller Wahrheit abzielt und daher nicht blos 
auf freier Würdigung des von den Parteien beschafften Be- 
weismaterials, sondern auch auf dem Rechte. und der Pflicht 
freiester Berücksichtigung .alles dessen beruht, was zur that- 
sächlichen Aufklärung dienlich ist. Diesem obersten Grund- 
satze gegenüber hat die Verord. vom 2. Nov. 1885 nicht die 
Bedeutung, erschöpfend alle im schiedsgerichtlichen Verfahren 
möglichen Prozesshandlungen darzustellen und zu umgrenzen,
	        
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