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erschien im folgenden Jahre von ihm eine Schrift über die
formellen Verträge des römischen Obligationenrechtes und eine
andere über Geschworenengerichte. Daneben lebte er sich als
Stadtverordneter auf dem einzigen Gebiete, das damals für ihn
der politischen Bethätigung offen stand, in die Praxis der städti-
schen Selbstverwaltung ein. Dass er bei den Wahlen zur National-
versammlung und zur aufgelösten zweiten Kammer unterlag, und
ihm ein Auftreten auf weiterem politischen Felde vorläufig ver-
sagt blieb, konnte für seine weitere Entwicklung nur vorteilhaft
sein. So nahm er denn an den Bewegungen der’ Jahre 1848
und 1849 nur in den bescheidenen Stellungen als Stadtverordneter
und Bürgerwehrmann Teil, wobei sich ihm aber doch in manchen
entscheidenden Augenblicken Gelegenheit zu massvollem Ein-
greifen bot.
Seine politischen Anschauungen jener Zeit entsprachen im
wesentlichen denen des herrschenden Liberalismus, der in Deutsch-
land unter Berufung auf englisches Vorbild aus Frankreich und
Belgien importiert war. Schon damals weit entfernt von den
Extravaganzen der Radikalen, erstrebte er ein konstitutionelles
Staatsleben für Preussen, wie es sich in den westeuropäischen
Staaten und abgeschwächt in den deutschen Mittelstaaten bereits
verwirklicht fand. Dieser deutsche Liberalismus der vierziger und
fünfziger Jahre, mit seiner unhistorischen und mechanischen Auf-
fassung von Recht und Staat, mit seinen rein vernunftgemässen,
individualistischen Konstruktionen konnte keinen grösseren (fegen-
satz finden als die pseudohistorisch-romantische Richtung Fried-
rich Wilhelms IV mit ihren neuständischen Bildungen, hinter
denen sich ebenso die Interessenpolitik des grösseren Grundbesitzes
verbarg, wie hinter dem Liberalismus die der städtischen Bour-
geoisie. Als. nach den Stürmen der Revolution jene sogenannte
konservative Richtung wieder die Oberhand gewann, da erschien
es begreiflich, dass GnEisT sich nicht nur vom öffentlichen Leben,
sondern auch von seiner richterlichen Thätigkeit zurückzog und