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für den Staat in Verbindung mit einer unabhängigen Handhabung
des öffentlichen Rechtes durch eine förmliche Verwaltungsrecht-
sprechung.
So nahm naturgemäss die preussische Verwaltungsgesetz-
gebung den Gang, den GNEIST theoretisch gefordert hatte. Nicht
um eine mechanische Nachahmung englischer Institutionen konnte
es sich handeln, sondern um eine Verpflanzung der auf Grund
des englischen Staatsrechtes entwickelten Prinzipien der Selbst-
verwaltung und der Verwaltungsrechtsprechung nach Deutschland
auf dem Boden der hier historisch gegebenen Verhältnisse. Wenn
es GNEIST auch versagt blieb, an leitender Stelle, wie er viel-
leicht gehofft, die Reform der preussischen Verwaltung zu ver-
wirklichen, so war doch sein politischer Einfluss als Abgeordneter
auf ihre praktische Gestaltung von schwerwiegendster Bedeutung.
Seine Ernennung zum Mitgliede des neu begründeten Ober-
verwaltungsgerichtes (1876) bot ihm auch Gelegenheit, selbst mit-
zuwirken an der Handhabung und Ausbildung des neuen öffent-
lichen Rechtes, und bis in die letzten Monate seines Lebens hat
er diese Aufgabe als seine wichtigste betrachtet. In die siebziger
Jahre fällt daher der Höhepunkt der GneEIsTtschen Wirksamkeit.
Mochte er auch als Politiker nicht mehr so von der Volksgunst
getragen werden wie in der Konfliktszeit, so hat er sich doch
hier das höchste gleichzeitig politische und wissenschaftliche Ver-
dienst erworben durch die Verpflanzung der Selbstverwaltung und
der Verwaltungsrechtsprechung nach Deutschland, während beide
in dem Ursprungslande, England, selbst immer abbröckelten und
dem Untergange verfielen. Dieses Verdienst kann auch durch
die gleichzeitigen Irrtümer des Kulturkampfes nicht getrübt
werden. Es wird ein dauerndes bleiben für die Staatswissen-
schaften wie für den deutschen Staat der Gegenwart.
Neben dieser vielseitigen wissenschaftlichen und praktischen
Thätigkeit widmete Gneist dem 1860 begründeten deutschen
Juristentage ein hervorragendes Interesse. Boten doch seine