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die gediegenen Monographien über die nationale Rechtsidee von
den Ständen und das preussische Dreiklassensystem und über die
verfassungsmässige Stellung des preussischen Gesamtministeriums.
Leben war ihm Arbeiten und Wirken bis zum letzten Augen-
blicke. Als beim Beginn des 22. Juli 1895 der Tod ihn abrief
aus einer reich gesegneten Thätigkeit, da hinterliess er für das
wissenschaftliche Leben Deutschlands eine Lücke, die um so fühl-
barer ist, als er bis zuletzt wirksam war.
GNEIsT selbst erklärte bei seinem fünfzigjährigen Doktor-
jubiläum, er habe seine wissenschaftliche Laufbahn begonnen als
ein treuer Schüler der historischen Schule. Alle seine wissen-
schaftlichen Werke sind denn auch aufgebaut auf gründlichen
geschichtlichen Untersuchungen. Ebenso gab er bei allen seinen
Vorlesungen umfangreiche geschichtliche Einleitungen, die in
seinem Staatsrechte sogar die grössere Hälfte ausmachten. Gleich-
wohl war seine wissenschaftliche Beanlagung keine historische.
Die das ganze wissenschaftliche Denken erfüllende historische
Auffassung der Dinge, welche in allem Bestehenden nur das ge-
schichtlich sewordene und die Grundlage künftiger Entwicklung,
das Erzeugnis gleichzeitig freien menschlichen Handelns und
innerer Nothwendigkeit erkennt, war ihm im Grunde genommen
fremd. Wie er erzählte, in der Schule eine besondere Vorliebe
für die Mathematik gehabt zu haben, so war auch seine Anlage
vorwiegend auf abstraktes, rein vernunftgemässes Denken gerichtet.
Gleich seinem grossen Zeitgenossen, L. v. STEIN, bei dem diese
Richtung allerdings noch viel stärker hervortrat, hat er sich von
den Jugendeinflüssen der HEserschen Philosophie sein Lebtag
nicht frei machen können, wenn er sich dies auch selbst kaum
zugestehen mochte. Insbesondere seine Vorlesungen über Straf-
recht standen stark unter HrgELschen Einflüssen.
Diese abstrakte Beanlagung geriet aber sehr früh unter
entgegengesetzte Einwirkungen und wurde dadurch vor einseitiger
Entwicklung bewahrt. Wenn GNEIST sich zunächst der damals