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prinzipe, widerspricht der eigennützigen Natur des Menschen. Der
Säule der englischen Selbstverwaltung, dem Friedensrichter, spendet
daher MAcauLAay das sehr zweifelhafte Lob, dass seine Justiz
immerhin noch besser sei als gar keine. Die deutsche Selbst-
verwaltung, zum Teil unter Leitung berufsmässiger Beamten
stehend und von einem tiefen Pflichtbewusstsein durchdrungen, ist
zweifellos viel besser als die englische je war. Aber die Bildung
rein sozialer Parteien vermag sie auch nicht zu hindern. Gerade
auf den Trägern der ländlichen Selbstverwaltung beruht die rein
soziale Organisation des Bundes der Landwirte. Gregenüber
diesen mannigfaltigen sozialen Interessen und Forderungen erweist
sich die Idee der Selbstverwaltung unzureichend. Hierauf beruht
es, dass GNEIST, der von seinem Standpunkte aus nur rein poli-
tische Parteien als berechtigt anerkannte, vielfach für die neuesten
deutschen Parteibildungen nicht das rechte Verständnis hatte, ja
dass er sich sogar zur Beteiligung an öffentlichen Erklärungen
gegen solche verleiten liess. Noch zuletzt hat er seine Anschau-
ungen hierüber in der Schrift über die nationale Rechtsidee von
den Ständen ausführlich entwickelt.
Wenn die Selbstverwaltung jene idealen Ziele, die GNEIST
vorschwebten, nicht ganz erreichen kann, so liegt es ja im Wesen
jedes Ideals, dass es die Grenzen seiner Durchführbarkeit in der
Unvollkommenheit aller irdischen Dinge findet. Dass Selbstver-
waltung und Verwaltungsrechtsprechung von der höchsten Bedeu-
tung für die Entwicklung des modernen Staates sind, wird nie-
mand zu leugnen wagen. Das Wesen beider Institutionen erkannt
und klargelegt zu haben, ist das unvergängliche Verdienst GNEISTS
als Staatsrechtslehrer. Nicht minder gross ist seine Bedeutung
als Politiker. Ueber die Irrtümer der Konfliktszeit und des
Kulturkampfes den Stab zu brechen, mag dem überlassen bleiben,
der sich über die Möglichkeit menschlichen Irrtums erhaben glaubt.
Der Ausbau der deutschen Verwaltung in der von ihm geforderten
Richtung ist ein bleibendes politisches Verdienst um den deutschen
Archiv für Öffentliches Recht. XI. 2, B