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Nimbus einer Idealisirung verleihen, als stünden ihre Beamten
insoweit höher als die Gerichte, die doch an erster Stelle berufen
waren, Wächter der Gerechtigkeitsübung nach Massgabe der Ge-
setze in Unparteilichkeit und Unabhängigkeit von oben wie von
unten zu sein. In ihr trat in hierarchisch gegliederter Ordnung
und den Befehlen des Vorgesetzten unbedingt gebotenen Unter-
ordnung den Gerichten eine Kontrollbehörde zur Seite, die ihre
unmittelbaren Weisungen von der Staatsregierung, mindestens
vom Chef der obersten Justizverwaltung, erhalten kann und in
vielen Fällen thatsächlich erhält, um in das aussergerichtliche,
wie gerichtliche Strafverfahren und die Strafvollstreckung ein-
greifen, mindestens durch Anträge bei Gericht mittelbar einwirken
zu können. Das Blendende bei der Einführung der französischen
Staatsanwaltschaft in Deutschland war die sog. materielle Ver-
theidigung in ihrer Hand, wodurch der Eintritt der formellen
Vertheidigung im Vorverfahren, mindestens im Eirmittelungs-
verfahren, unter Leitung des Staatsanwalts entbehrlich gemacht
werden sollte. Man traute ihm bei seiner verfolgenden Thätig-
keit die Unparteilichkeit und Unbefangenheit eines zwischen
Schuld- und Unschuldannahme stehenden Richters in einem
höheren Grade zu als diesem, was ja eine psychologisch-empirische
Unmöglichkeit war. Ja man übertrug ihm dieses Vermögen auch
für die mündlichen, kontradiktorischen Verhandlungen, in gleicher
Weise für die Vertheidigung und den Rechtsschutz des Angeklagten
bedacht zu sein, wie für die Durchführung der Strafverfolgung,
eventuell selbst durch Einwendung und den Fortbetrieb eines
Rechtsmittels zu Gunsten eines von ihm Verfolgten, wobei in
erster Linie die absolute Wahrung des materiellen Rechts die
Begründung bieten musste, wie die des „öffentlichen Interesses“
für den beliebigen Eintritt des Staatsanwalts in das wegen Be-
leidigungen und leichteren Körperverletzungen, deren Verfolgung
nur auf Antrag des Verletzten eintritt, geordnete Privatklage-
verfahren. Eine solche „Gesetzeswächterschaft“ war im Wesent-