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Staat der Gegenwart, wenn auch England nicht jenes Vorbild war,
das er in ihm zu erblicken glaubte.
(lücklicher als sein grosser Vorgänger MONTESQUIEU, durfte
er die Verwirklichung seiner Ideale schauen, musste sich aber
auch von ihrer teilweisen Unzulänglichkeit überzeugen. Und so
wird sein Stern neben dem MonteEsquiEeus am Himmel der Staats-
wissenschaften durch die Jahrhunderte leuchten, der des grossen
Franzosen neben dem des unvergesslichen Deutschen, beide er-
füllt von dem erhabensten Staatsideal, beide gross in dem, was
sie für den modernen Staat von diesem Ideal wirklich erreichten,
auch da, wo dieses Ideal Irrtum war.
Doch das Bild der Gxeistschen Wirksamkeit würde ein
unvollkommenes sein, wenn man nicht auch an dieser Stelle der
rein menschlichen Seite seiner Persönlichkeit wenigstens mit einigen
Worten gedenken wollte. Dass gerade hier die Schilderung nur
eine skizzenhafte und lückenhafte sein kann, liegt in der Natur
der Dinge.
Die Ideale einer Person geben gewöhnlich ihre beste Cha-
rakteristik ab. Wie sein Staatsideal erfüllt war von dem Be-
wusstsein der Pflicht, so war es auch seine Persönlichkeit. Nur
in der Erfüllung seiner Pflichten bis zum letzten Augenblicke
konnte er leben. Für seine Pflicht hielt er es aber vor allen
Dingen, das für wahr Erkannte auch mit Entschiedenheit zu ver-
treten. Niemand war aber andrerseits freier wie er von Selbst-
überhebung und Unfehlbarkeitsdünkel. Als der strengste Kritiker
seiner eigenen Ansichten auf wissenschaftlichem wie auf politi-
schem (Gebiete prüfte er sie immer von neuem nach und nahm
keinen Anstand, sie preiszugeben, wo er den Irrtum erkannt
hatte. Nach dem Ruhm jener Politiker, die in allem Wechsel
der Dinge Menschenalter hindurch unentwegt dasselbe Partei-
programm vertreten, hat er nie gegeizt. Aus dieser Selbstkritik
entsprang aber auch seine wunderbare Duldsamkeit gegenüber ab-
weichenden Ansichten, die sich selbst gegenüber den ihm persön-