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werde; „denn ein System der Strafverfolgung, welches aktuell die
Minister des Einzelstaates von der Befolgung der Straf-
gesetze entbindet, um sie desto schrankenloser den Partei-
einflüssen des konstitutionellen Staates preiszugeben, wird an jener
Stelle keinen Fürsprecher finden. Will eine Ministerverwaltung
nicht blos Dienerin der Parteien werden, so muss sie sich bei
Zeiten dem Gesetze unterthan bekennen“.
Von grossem Interesse ist die Verfolgung des Verlaufes der
Verhandlungen der beiden Reichstagskommissionen zur Berathung
des Entwurfes des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafpro-
zessordnung für das Deutsche Reich, worüber Verfasser ander-
wärts eine Uebersicht gegeben hat. Die wohlweislich nicht zum
Ausdruck gebrachte Tendenz der Regierungsvertreter, den Staats-
regierungen ein fügsames Organ der Beeinflussung der Straf-
rechtspflege in der Staatsanwaltschaft zu schaffen, wurde durch
den Rechtsgesichtspunks verhüllt, dass die Regierung den Staats-
anwalt in Bezug auf die Beurtheilung der Rechtsfragen un-
bedingt und in jedem Stadium des Verfahrens an dienstliche
Anweisungen binden können müsse, sonst wäre es ihr unmöglich,
prozessualen Missständen, welche bei den Gerichten sich festgesetzt
hätten, wirksam zu begegnen. Der beredte Wortführer der
Regierungsvertreter, HANAUER, betonte wiederholt, dass von diesem
unabänderlich von den Staatsregierungen festzuhaltenden Stand-
punkt aus ausser der Aufsicht auch die „Leitung“ der Staats-
anwaltschaft durch die oberste Justizverwaltung kodifizirt werden
müsse; diese komme als hierarchisch gegliedertes Organ, mit
dem die Justizverwaltung operire, in Frage; deshalb, um
das erforderliche Ziel überhaupt dadurch zu erreichen, sei an die
Spitze der Satz gestellt: „Die Beamten der Staatsanwaltschaft
haben den dienstlichen Anweisungen ihrer Vorgesetzten nachzu-
kommen“ — eine nothwendige Konsequenz, wenn das bezeichnete
Ziel (?) für die Justizverwaltung des Landes erreicht werden
solle. Wäre es nur um die Erreichung des oben erwähnten