— 231 —
vollziehung schleichen kann — und zwar ungeahndet und unan-
greifbar!
In den ungezählten Schriften und Abhandlungen über die
Stellung der Gerichte und Staätsanwaltschaft zu einander und
letzterer zur Vertheidigung, welche in der zweiten Hälfte dieses
Jahrhunderts veröffentlicht worden sind und deren Hervorragendsten
tonangebend wurden, macht sich besonders die von v. PLANCK
(München) und GLASER (Wien 7) vertretene Uebertragung zivil-
prozessualer Analogieen auf den Strafprozess bemerkbar, die sog.
Fruktifizirung jener für diesen; damit wurden in die Theorie und
Praxis auch tiefergreifende, auf das Strafrechtsprinzip zurückwir-
kende Auffassungen verbreitet, welche im österreichischen
Strafprozess durch GLASER’s bekannten Einfluss auf dessen mehr-
fache Umgestaltung seit 1850, bezw. 1853—1873 noch weit mehr
hervortrat. Es wurde von dem bürgerlichen Prozess das seinem
(segenstand entlehnte, der Natur der Privatrechte entsprechende
Verfügungs- und Verzichtsprinzip auch auf den Strafprozess zu
übertragen versucht, indem das Recht des Staates auf den Voll-
zug der Strafgesetze gegen seine Pflicht, wegen jeder Straf-
gesetzverletzung amtlich einschreiten zu lassen — sog. absolutes,
obligatorisches Strafrecht oder Strafgebot (Legalität) im Gegen-
satz zu dem relativen, fakultativen, dem Ermessen nach irgend-
welchen Rücksichten anheimgegebenen (Opportunität), in den
Vordergrund gedrängt und damit dem Staat die Befugniss zu-
gesprochen wurde, auf Geltendmachung des Strafgesetzwillens
(Gebot oder Verbot) verzichten zu dürfen, wie der Private dies
können muss, da er frei über Geltendmachung eines beanspruchten
oder verfolgbaren Rechts verfügen darf. Wenn ZacHariüä a. a. O.],
S. 39 den Verzicht der Parteien im Strafprozess ausgeschlossen
sehen wollte, soweit als Forderungen des absoluten Rechts nicht
verletzt werden, und dazu in Anm. 4 bemerkte, es verstehe sich
von selbst, dass für den Staat selbst der Verzicht auch auf
Geltendmachung der Strafe nicht ausgeschlossen werde, so lag